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Mitwirkung im Dritten Weg und Mitgliedschaft in einer Arbeitgeberorganisation

Gutachten auf Ersuchen der Gemeinsamen Kommission von Diakonie und Caritas in Nordrhein-Westfalen erstattet von

Prof. Dr. Dres. h.c. Peter Hanau

Dr. Gregor Thüsing LL.M.

Köln 2000

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Gliederung

I. Ausgangspunkt: Der Beitritt des VdDD zur BDA

II. Entwicklung Legitimation und Charakteristika des Dritten Wegs

III. Mitgliedspflichten in der BDA gegenüber selbständiger Gestaltung im Dritten Weg

1. Mitgliedspflichten in der BDA

2. Selbstständige Gestaltung des Dritten Wegs

a) Partnerschaftlichkeit und Koalitionseinfluß in der Arbeitsrechtlichen Kommission

aa) Kirchenbindung und Koalitionseinfluß im bestehenden Modell

bb) Wie disponibel ist der status quo

b) Weisungsfreiheit der Mitglieder und Repräsentanz durch die BDA

3. Zulässigkeit des Beitritts

IV. Konsequenzen für die Vereinbarungen des Dritten Weges

V. Konsequenzen für den Bestand des Dritten Wegs

VI. Zusammenfassung und Empfehlung

 

Fußnoten

 


 

I. Der Anlaß: Der Beitritt des VdDD zur BDA

 

Der Verband der Diakonischen Dienstgeber (VdDD) ist ein Zusammenschluß von Dienstgebern der freien Diakonie. Er entsendet Vertreter für die Dienstgeberseite in die arbeitsrechtliche Kommission des Diakonischen Werks der EKD. Grundlage ist §16 a der Satzung des Diakonischen Werks der EKD in Verbindung mit § 5 der Ordnung für die arbeitsrechtliche Kommission des Diakonischen Werks der EKD vom 16.10.1996 i.d.F. vom 17.6.1997 (Amtsblatt EKD 1997, S.396 ff.):

 

§ l6 a Arbeitsrechtliche Kommission

Einer unabhängigen paritätisch besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission obliegt es, partnerschaftlich das Arbeitsrecht im Bereich der Diakonie verbindlich auszugestalten und weiter zu entwickeln, soweit nicht die Arbeitsrechtsordnung der jeweiligen Gliedkirche bzw. Freikirche oder des gliedkirchlichen Diakonischen Werks gilt.

Das Nähere bestimmt die von der Diakonischen Konferenz beschlossene Ordnung"

 

§ 5 Dienstgebervertreter und Dienstgebervertreterinnen

"(I) Dienstgebervertreter und Dienstgebervertreterinnen sowie deren Stellvertreter und Stellvertreterinnen werden durch Verbände der Träger Diakonischer Einrichtungen im Bereich des Diakonischen Werkes der EKD entsandt. Die Anzahl der Vertreter und Vertreterinnen, die von den einzelnen Verbänden entsandt wird, richtet sich nach dem zahlenmäßigen Verhältnis der im Zeitpunkt der Entsendung und diesen Verbänden zusammengeschlossenen Träger aus dem Bereich des Diakonischen Werks der EKD."

 

Der VdDD hat auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung vom 17.11.1999 den Beitritt zur Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) beschlossen; die Aufnahme ist zwischenzeitlich erfolgt. Grundlage der Beitrittsentscheidung ist § 2 Abs. 1 a. E. ("Der Verband kann Dachorganisationen beitreten") i. V. m. § 7 Abs. 10 lit. j (Zuständigkeit der Mitgliederversammlung) der VdDD - Satzung. Der VdDD wirkt damit sowohl in den Gremien des Dritten Wegs als auch in den Verbänden des Tarifvertragsrechts mit. Dieser Schritt ist, soweit ersichtlich, bislang einmalig unter den Verbänden der Diakonischen Dienstgeber und wirft die Frage auf, wie sich seine rechtliche Zulässigkeit beurteilt, vor allem aber, was die Konsequenzen dieser zweifachen Mitwirkung für die Gestaltung und die Regelungen des Dritten Wegs sind. Nicht anders auf katholischer Seite, würde dort ein entsprechender Schritt erfolgen. Grundlage für die Beteiligung der Dienstgeberseite an der Arbeitsrechtlichen Kommission ist hier § 5 Abs.1 und Abs. 3 der Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes i. V. m. §§ 2, 3 der Wahlordnung:

 

§ 5 Vertreter der Dienstgeber (Dienstgeberseite)

(1) Die Dienstgeberseite setzt sich aus 28 Vertretern zusammen, die vom Zentralrat gewählt werden

(3) Das Nähere regelt die Wahlordnung für die Vertreter der Dienstgeber in der Arbeitsrechtlichen Kommission, die Bestandteil dieser Ordnung ist.

 

Auch hier wäre es denkbar, daß der deutsche Caritasverband selber der BDA beitritt oder doch einzelne Träger, die Vertreter in den Zentralrat entsenden, einem Arbeitgeberverband beitreten.

Die dargelegten Fragen zu beantworten kann nur sehr eingeschränkt auf Vorarbeiten im juristischen Schrifttum zurückgegriffen werden; einschlägige Rechtsprechung fehlt gänzlich. Es bietet sich daher an, eine Antwort zu versuchen ausgehend von der Entwicklung, der Legitimation und den Charakteristika des Dritten Weges und einer Gegenüberstellung der Mitgliedspflichten in der BDA. Auf dieser Grundlage kann versucht werden, das Ausmaß an notwendiger Neutralität und Weisungsfreiheit der Mitglieder der arbeitsrechtlichen Kommission zu bestimmen, und konkret, ob der Beitritt eines sie entsendenden Dienstgeberverbandes zu einer Arbeitgeberorganisation im Sinne des Tarifvertragsrechts zulässig ist. Darauf aufbauend werden die Konsequenzen für die Mitwirkung im Dritten Weg beschrieben. Den Abschluß bilden Zusammenfassung und Handlungsempfehlung.

 


 

II. Entwicklung, Legitimation und Charakteristika des Dritten Wegs

 

Seit nunmehr über 20 Jahren, genauer; beginnend mit der Richtlinie der EKD für ein Arbeitsrechts-Regelungsgesetz vom 8.10.1976, gehen die Kirchen einen spezifisch kircheneigenen Weg bei der Gestaltung ihrer Arbeitsverhältnisse. Anders als zuvor werden die Arbeitsbedingungen nicht durch einseitige Regelungen der Kirchenseite festgelegt, noch werden sie durch Tarifverträge bestimmt (von einzelnen Ausnahmen bei den Evangelischen Landeskirchen abgesehen), sondern sie werden durch paritätisch von Mitarbeiterseite und Kirchenleitung besetzte Kommissionen ausgehandelt 1. Grund für diese Entwicklung war, daß die beiden großen christlichen Kirchen den Tarifvertrag für ein ungeeignetes Instrument zur Regelung ihrer Arbeitsverhältnisse halten. Dies folgt nicht etwa daraus, daß sie dem Tarifvertrag und den Sozialpartnern grundlegend ablehnend gegenstünden 2. Entscheidend ist vielmehr, daß das Tarifvertragssystem auf einem Antagonismus von Arbeitgeber und Arbeitnehmerseite beruht. Die gegenseitig erhobenen Forderungen zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen können notfalls mit dem Druckmittel des Arbeitskampfrechts durchgesetzt werden; dem Streik der Arbeitnehmer steht die Aussperrung des Arbeitgebers gegenüber. Einen Arbeitskampf im kirchlichen Bereich kann es jedoch nicht geben, denn die kirchliche Dienstgemeinschaft beruht auf dem Gedanken, daß alle in den Einrichtungen der Kirche Tätigen durch die Arbeit ohne Rücksicht auf ihre arbeitsrechtliche Stellung gemeinsam dazu beitragen, daß die Einrichtung ihren Teil des Sendungsauftrags der Kirche erfüllen kann. Ist aber der Streik im kirchlichen Dienst ausgeschlossen, dann ist auch das Tarifsystem kein geeignetes Mittel zur Ordnung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse, denn ein Tarifvertragssystem ohne wirksame Streikmöglichkeit wäre nicht mehr als "kollektives Betteln" 3.

Die kirchliche Dienstgemeinschaft ist also Grundlage des Dritten Wegs, und eben diese Grundlage bestimmt dessen Ausgestaltung: Die Dienstgemeinschaft soll auch in den Verfahrensstrukturen der Arbeitnehmerbeteiligung an der Gestaltung der Arbeitsbedingungen zum Ausdruck kommen. Mit Brisa, von dem die bislang umfangreichste Monographie zum Dritten Weg stammt, lassen sich vor allem fünf Grundsätze als Charakteristika dieses spezifisch kircheneigenen Regelungsverfahrens festhalten:

  • Partnerschaft, d.h. Kooperation, nicht Konfrontation beim Ausgleich der unterschiedlichen Interessen, weil im Kirchlichen Dienst alle Beteiligten in gleicher Weise den religiösen Grundlagen und Zielrichtungen ihrer Einrichtungen verpflichtet sind;

  • Parität, d.h. Anerkennung der Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung von Dienstgebern und Dienstnehmern;

  • Lohngerechtigkeit, wie sie auf evangelischer Seite direkt aus dem Wesen der Dienstgemeinschaft hergeleitet wird, auf der katholischen Seite sogar durch can. 231 § 2 CIC abgesichert ist;

  • Ausschluß von Streik und Aussperrung, denn die Gleichheit des Zieles schließt es aus, durch gegenseitige Druckausübung die Verbesserung der Arbeitsbedingungen erreichen zu wollen;

  • Sicherung der religiösen Grundlagen und Zielbindung des kirchlichen Dienst;

  • Einheit des kirchlichen Dienst, d.h. Sicherung einheitlicher Geltung unabhängig vom jeweiligen Anstellungsträger. 4

Rüfner formuliert es ähnlich in dem Standardwerk des deutschen Staatskirchenrecht:

"Die Dienstgemeinschaft ist gekennzeichnet vom vertrauensvollen Miteinander, Rücksichtnahme und dem Gedanken konziliarer Konfliktlösung" 5

Die Rechtsprechung und auch das ganz herrschende Schrifttum akzeptieren dieses Verständnis kirchlicher Dienstgemeinschaft als Datum, dem das Arbeitsrecht Rechnung zu tragen hat. Das Bundesverfassungsgericht stellte klar, daß die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht nicht ihre Zugehörigkeit zu den "eigenen Angelegenheiten" der Kirche aufhebt. Sie darf daher die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienst nicht in Frage stellen, wobei sich nach den von der verfaßten Kirche anerkannten Maßstäben richtet, welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegenstand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können 6. Ein Arbeitskampf im kirchlichen Dienst ist daher auch rechtlich ausgeschlossen 7, und an die Stelle der Tarifverträge treten die Regelungen des Dritten Weges. Diese zu ermöglichen und vergleichbar den tarifvertraglichen Regelungen auszugestalten, ist die Verpflichtung des staatlichen Gesetzgebers, bloßes Aussparen der Kirchen aus der Anwendung des Tarifvertragsrechts würde ihnen keine Möglichkeit zur angemessenen kollektiven Regelung ihrer Arbeitsverhältnisse geben, sie daher gegenüber dem weltlichen Arbeitgeber schlechter stellen. Als kirchenspezifische Form der Gewährleistung der Koalitionsfreiheit dürfen daher die Regelungen des Dritten Weges grundsätzlich nicht anders als Tarifverträge behandelt werden, will man die Kirchen nicht schlechter stellen als den tarifgebundenen Arbeitgeber 8. Ausnahmen von dieser Pflicht zur Gleichbehandlung sind nur da gerechtfertigt, wo die Besonderheiten des Dritten Weges dem Sinne einer für Tarifverträge geltenden Bestimmung widersprechen.


III. Mitgliedspflichten in der BDA gegenüber selbständiger Gestaltung im Dritten Weg

Entwicklung und Legitimation des Dritten Weg stützen sich also darauf, daß kirchlicher Dienst und Tarifvertragswesen als etwas Gegensätzliches verstanden werden und den Kirchen ein Freiraum zu belassen ist, in den die Koalitionen nicht gegen den Willen der Kirchen eindringen können. Welche Folgen sich aber ergeben, wenn tarifrechtliche Koalitionen gerade mit Willen kirchlicher oder diakonischer Träger zumindest mittelbar in die Gestaltung des Dritten Wegs eingebunden werden, hängt wesentlich von der Reichweite des Einflusses ab, den die damit gewinnen, und von der Antwort auf die Frage, wie unabhängig die Gestaltung des Dritten Weges vom Koalitionseinfluß sein muß.

1. Mitgliedspflichten in der BDA

Die BDA ist Spitzenorganisation im Sinne von § 2 Abs. 2 TVG. Ziel ist gem. § 1 Abs. 1 ihrer Satzung die Wahrung der gemeinschaftlichen sozialpolitischen Belange der sozialpolitischen Organisationen der Arbeitgeber in der Bundesrepublik Deutschland. Ihre Mitglieder sind gem. § 6 Abs. 1 der BDA-Satzung "an die satzungsgemäß zustande gekommenen Beschlüsse der Bundesvereinigung und ihrer Organe gebunden". Gem. § 6 Abs. 2 der BDA-Satzung sind sie "verpflichtet, der Bundesvereinigung und deren Organen gewissenhaft und fristgerecht alle erforderlichen Auskünfte zu geben und sie über alle wichtigen Ereignisse in ihrem Bereich fortlaufend zu unterrichten". Obwohl die BDA gem. § 2 Abs. 3 TVG Tarifverträge abschließen könnte, wenn dies zu ihren satzungsgemäßen Aufgaben gehörte, hat sie bis jetzt darauf verzichtet. Nach der derzeitigen Fassung der Satzung ist sie nicht tariffähig, könnte die Tariffähigkeit aber jederzeit herbeiführen. Gemäß ihrer Wahl, selbst keine Tarifverträge abzuschließen, bestimmt § 3 S.1 der BDA-Satzung, daß die "Selbständigkeit der Mitglieder... auf tarifpolitischem Gebiet nicht durch Maßnahmen der Bundesvereinigung oder ihrer Organe eingeschränkt werden" darf, allerdings sind gem. § 3 5.2 der BDA-Satzung "Empfehlungen auf diesem Gebiet... zulässig, sofern sie vom Vorstand der Bundesvereinigung einstimmig beschlossen werden". Obwohl Empfehlungen ihrer Natur nach nicht bindend sind, kommt solchen Beschlüssen eine nicht lediglich faktische Bedeutung zu, sich in einem bestimmten Sinne zu verhalten, denn auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift haben Vereinsmitglieder stets eine Treuepflicht gegenüber ihrem Verein, die weiter reicht als der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Inhalt und Umfang der Treuepflicht bestimmen sich nach Art des Vereinszwecks und der inneren Geschlossenheit der Vereinigung. Generell ist es dem Mitglied verwehrt, im Widerspruch zu den Zielen und Interessen des Vereines tätig zu werden 9. Dazu kommt das Erscheinungsbild nach außen: Die BDA und ihr Präsident repräsentieren ihre Mitglieder bei den Gesprächen zum Bündnis für Arbeit. Auch dadurch werden gemeinsame, eben nicht spezifisch kirchliche oder caritative/diakonische Positionen nach außen hin deutlich gemacht.

Bereits der bloße Beitritt des VdDD zur BDA bedeutet also zweierlei: Zum einen eine deutliche Polarisierung innerhalb des Dritten Weges, die nun durch Verbandsmitgliedschaft nach außen dokumentiert ist; zum anderen, eng damit verbunden, eine stärkere Einbindung in das allgemeine, "kirchenunspezifische" kollektive Regelungsverfahren.

2. Selbstständige Gestaltung des Dritten Wegs

Weil also damit ein Stück der bisherigen Selbständigkeit der Gestaltung des Dritten Wegs verloren gegangen ist und eine bislang auf Dienstgeberseite unbekannte mittelbare Einbeziehung der Spitzenorganisationen des Tarifvertragsrechts geschaffen wurde, könnten notwendige Gestaltungselemente des Dritten Weges verloren oder zumindest gefährdet sein.

a) Partnerschaftlichkeit und Koalitionseinfluß in der arbeitsrechtlichen Kommission

Welchem Grad an Koalitionseinfluß die Mitglieder der Arbeitsrechtlichen Kommissionen unterliegen dürfen, ohne daß das Proprium des Dritten Weges gewahrt gefährdet wird, zeigt sich wohl am ehesten im zweischrittigen Vorgehen:

Zuerst ist das Maß an Kirchenbindung und Koalitionseinfluß im bestehenden Modell aufzuzeigen. Dem schließt sich die Frage an, wie disponibel der status quo ist.

aa) Kirchenbindung und Koalitionseinfluß im bestehenden Modell

Auch in der bestehenden Ausgestaltung des Dritten Wegs haben die Koalitionen durchaus Einfluß. Er gestaltet sich aber unterschiedlich. Recht zurückgedrängt ist er in der katholischen Kirche, denn dort werden die Mitarbeitervertreter in den Kommissionen zur Ordnung des Arbeitsvertragsrechts (KODA) direkt von den Mitarbeitern gewählt (vgl. § 5 11, IV Bistums-KODA-Ordnung; § 4 der Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes). Die katholische Kirche folgt bei der Bestimmung der Mitarbeitervertreter in der Kommission also nicht dem Verbandsprinzip, sondern sie hat sich für eine Ordnung entschieden, die auf dem Grundsatz der demokratisch legitimierten Repräsentation alle Dienstnehmer beruht.10 Die Gewerkschaften sind hier also nicht unmittelbar an der Entscheidungsfindung im Dritten Weg beteiligt, und es wäre ein offensichtlicher Bruch mit diesem System, nun auf Arbeitgeberseite die Koalitionen auch nur mittelbar mit einzubeziehen.

Etwas anders verhält es sich mit der evangelischen Kirche: Die EKD hat in ihrer grundlegenden Richtlinie 1976 empfohlen, daß die Vertreter der Mitarbeiter in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen von den Mitarbeitervereinigungen entsandt werden (§ 6 l ARRG). Die Gewerkschaften der kirchlichen Mitarbeiter sind in diesem Fall unmittelbar an der Besetzung der Gremien des "Dritten Wegs" beteiligt. Hier ist das Arbeitsrechtsregelungssystem also dadurch gekennzeichnet, daß die Koalitionen der Mitarbeiter Befugnisse innerhalb des kirchengesetzliche n geregelten Mitbestimmungsstatus erhalten. Diesem Modell folgt auch § 4 Abs. 1 der Ordnung für die Arbeitsrechtliche Kommission des Diakonischen Werks der EKD. Allerdings können die Begriffe der Mitarbeitervereinigung und der Gewerkschaft nicht gleichgesetzt werden.11 Jedoch scheint prima facie der VdDD nur das vollzogen zu haben, was auf Arbeitnehmerseite bereits anerkannte Praxis ist: Wie die Vertreter der Dienstnehmerseite von einer Gewerkschaft entsandt werden können, werden nun Vertreter der Dienstgeberseite von einem Arbeitgeberverband entsandt, der Mitglied in der BDA ist.

Dieses Symmetrieargument darf indes nicht den Blick dafür verstellen, daß hier unterschiedliche Ebenen betroffen sind: Die Einbeziehung der Gewerkschaften in den Gestaltungsprozeß des Dritten Wegs stellt ein Entgegenkommen an die Dienstnehmerseite dar, der traditionelle Formen der Koalitionsbetätigung ermöglicht werden sollten. Die Koalitionsbetätigung wird damit über ihren verfassungsrechtlich gewährleisteten Bereich hinaus ausgedehnt zu Lasten des Idealtypus des Dritten Wegs, dem solcher Antagonismus fremd ist.12 Dies ist also schon ein Schritt weg vom Dritten Weg, durch den das Leitbild des kirchlichen Dienstes ein Stück weit zurücktritt. Dies scheint verständlich weil die Gewerkschaften die wesentlichen Arbeitnehmervereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen sind, während es auf Arbeitgeberseite immer schon Vereinigungen gegeben hat, die zwar Koalitionen i. S. des Art. 9 Abs. 3 GG sind, ohne auch Arbeitgeberverband zu sein.13 Außerdem ist der einzelne Arbeitgeber im Tarifvertragswesen selbst handlungsfähig, und wäre es auch auf dem Dritten Weg. Nun auch die Dienstgeberseite tendenziell koalitionsmäßig zu organisieren, bedeutet etwas grundsätzlich anderes, denn von ihr darf gerade das Festhalten am Verständnis der Dienstgemeinschaft und der daraus folgenden Ausgestaltung des Dritten Weges erwartet werden: Sie ist Kirche als Arbeitgeber und identisch mit der Kirche als Lehrender, die den Inhalt des kirchlichen Glaubens und der kirchlichen Dienstgemeinschaft vorgibt. Wenn gerade sie sich vom Wesen der kirchlichen Dienstgemeinschaft distanzieren sollte, wer wollte an ihm festhalten? Eine gängige Begründung für den Ausschluß des Streikrechts im kirchlichen Dienst ist es, daß die Kirche nicht aussperren kann, weil zumindest sie sich dem Ideal der kirchlichen Dienstgemeinschaft verpflichtet wissen muß, und sie daher selbst dann, wenn ihr rechtlich die Möglichkeit zur arbeitskampfbedingten Suspension der Arbeitsverhältnisse gewährt werden würde, faktisch nicht davon Gebrauch machen könnte. Man unterstellt also eine Waffenungleichheit, weil man davon ausgeht, die Kirche werde sich an ihrer eigenen Lehre festhalten lassen : "Ein kirchlicher Arbeitgeber kann keine Kampfmaßnahmen ergreifen, um einem Streik zu begegnen, denn die Kirche kann weder die Glaubensverkündigung noch den Dienst am Nächsten suspendieren, um zur Wahrung von Vermögensinteressen Druck auf ihre Mitarbeiter auszuüben"14. Distanziert sich hier also ein Verband kirchlicher Träger selbst vom Ideal der Dienstgemeinschaft, indem er sich "säkular-tarifvertraglichen" Strukturen eingliedert, dann wirft dies grundsätzliche Zweifel an der Berechtigung des Dritten Weges insgesamt auf.

bb) Wie disponibel ist der status quo?

Ist also die partnerschaftliche Gestaltung fern vom Antagonismus des tarifvertraglichen Verbandswesens ein Charakteristikum des Dritten Wegs, dann fragt es sich, wie weit hierauf verzichtet werden kann, ohne daß dies Folgen für den bisherigen Regelungsmechanismus hat und die rechtliche Bewertung der Regelungen, die auf diesem Weg zustande gekommen sind. Hier wird man nach den einzelnen Folgen differenzieren müssen. Vorweg geht es um die grundsätzliche Frage, ob schon die bloße Mitgliedschaft in einer Arbeitgeberkoalition ein Verstoß gegen die gebotene Partnerschaftlichkeit ist, oder sich noch im Rahmen des Dritten Wegs hält, und daher uneingeschränkt zulässig ist.

Koalitionsbetätigung und partnerschaftliches Zusammenwirken widersprechen sich nicht notwendig. Beleg dafür mögen §§ 2, 74 BetrVG sein. Danach arbeiten Arbeitgeber und Betriebsrat vertrauensvoll zusammen. Gleichzeitig ist den Mitgliedern des Betriebsrats nicht verwehrt, Gewerkschaftsmitglieder zu sein und als solche im Betrieb tätig zu werden. Man könnte argumentieren, ebenso müsse den Vereinigungen, die Mitglieder in die Arbeitsrechtlichen Kommissionen entsenden, die Mitgliedschaft in einer Arbeitgeberkoalition erlaubt sein. Indessen spiegelt das Betriebsverfassungsrecht nicht den kirchenspezifischen Ausgleich von Dienstgeber und Dienstnehmerseite, sondern auch hier haben die Kirchen eigenständige Formen der Mitarbeitervertretung gefunden, die stärker der Besonderheit des Kirchlichen Dienst Rechnung tragen. Die Kirchen sind gem. § 118 Abs. 2 BetrVG gänzlich von der Anwendung des BetrVG ausgeschlossen und diese Norm bildet eine einfachgesetzliche Konkretisierung der kirchlichen Autonomie gem. § 137 Abs. 3 WRV i.V. m. Art. 140 GG, die nicht zur Disposition des Gesetzgebers steht.15 Wichtiger aber noch ist die Tatsache, daß man beim Betriebsratsmitglied unterscheiden mag zwischen der Privatperson, die Mitglied der Gewerkschaft ist, und dem Betriebsratsmitglied, das unabhängig von gewerkschaftlicher Weisung vertrauensvoll zusammenarbeitet. Bei einem Verband der Dienstgeber ist eine solche Trennung von privatem und funktionalem Status aber nicht möglich. Tritt er einer Arbeitgeberspitzenorganisation bei, ist das Ausdruck des Grundverständnisses seines Handelns insgesamt, und damit mittelbar auch der Mitglieder, die er in die Kommissionen des Dritten Weges entsendet. Wie fremd überdies die Koalitionsmitgliedschaft auf Dienstgeberseite dem Dritten Weg ist, zeigt schon ein einfaches Beispiel: Würde die BDA sich entscheiden, künftig Tarifverträge abzuschließen dann würden diese Tarifverträge grundsätzlich alle Mitgliedsverbände binden 16. Ergebnis wäre nicht ein Wirken im Dritten Weg, sondern seine Überwindung.

b) Weisungsfreiheit der Mitglieder und Repräsentanz durch die BDA

Aus dem Vorangegangenen folgt unmittelbar ein Erst-Recht-Schluß: Weil das Charakteristikum des Dritten Wegs ist, daß die an seiner Gestaltung Beteiligten partnerschaftlich nach einer angemessenen Regelung der Arbeitsbedingungen suchen, ist es erst recht erforderlich, daß sie dabei unabhängig von Weisungen Dritter handeln. Ebenfalls dürfte es bereits einen erheblichen Einschnitt bedeuten, daß, der Verband, der die Mitglieder der Dienstgeberseite in die Kommissionen entsendet, zwar keinen Weisungen unterliegt, nach außen hin aber nicht von der Kirche oder Diakonie/Caritas repräsentiert wird, sondern von der BDA. Diese ist nicht nur Spitzenorganisation im Sinne des Tarifvertragsrechts sondern eben auch Repräsentant der deutschen Arbeitgeber etwa bei den Gesprächen zum Bündnis für Arbeit oder auch als Mitglied von UNICE bei den Vereinbarungen im Sozialen Dialog auf europäischer Ebene. "Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände vertritt auf dem Gebiet der Sozialpolitik die Interessen der Wirtschaft gegenüber Gewerkschaften, Politik und Öffentlichkeit".17 Diese Interessen sind nicht notwendig die der Kirchen. "Die von uns vertretenen Positionen stellen den sozialpolitischen Grundkonsens der deutschen Wirtschaft dar".18 Der kann aber ein anderer sein als der der Kirche. Hier den kirchlichen oder diakonischen Dienst mit zu repräsentieren, ohne daß die Kirchen und ihr Leitbild von der christlichen Dienstgemeinschaft einen wesentlichen Einfluß hätten, ist eine weitreichende Abkehr vom Gemeinschaftsideal der kirchlichen Dienstgemeinschaft. In einen solchen Widerspruch zu ihren eigenen Vorstellungen dürfen sich die Kirche und ihre Caritas nicht setzen. Dies gilt um so mehr, als die BDA schon nach eigenem Selbstverständnis nicht der richtige Repräsentant des beigetretenen Verbands sein dürfte, denn sie beschränkt sich in ihrer Organisation auf die private Wirtschaft und organisieren nicht die Arbeitgebers des öffentlichen Diensts. Schon die große Nähe gerade der arbeitsrechtlichen Strukturen des kirchlichen und caritativen Dienstes zu denen des öffentlichen Diensts zeigen die Problematik eines Beitritts zum Spitzenverband der freien Wirtschaft.

3. Zulässigkeit des Beitritts

Aus dem Vorangegangenen ist eine weitere Schlußfolgerung möglich: Der Beitritt des VdDD zur BDA ist nach seiner derzeitigen Satzung rechtlich zumindest bedenklich. Denn gemäß § 2 Abs. 1 der VdDD-Satzung ist er verpflichtet, "an der Erneuerung des Dritten Weges mitzuarbeiten". Damit hat sich der Verband auf den Dritten Weg festgelegt. Der Beitritt zu einer Arbeitgeberspitzenorganisation steht dazu im Widerspruch. Denn das Tarifvertragssystem ist der Zweite Weg, nicht aber ein erneuerter Dritter Weg. Der vom VdDD vollzogene Schritt ist kein Schritt auf den Dritten Weg hin zu seiner inhaltlichen Erneuerung, sondern ein Schritt weg vom Dritten Weg, der mit seinen Satzungszielen im tendenziellen Widerspruch steht. Allerdings kann der VdDD gem. § 2 Abs. 2 seiner Satzung "Vereinbarungen mit Dienstnehmerverbänden zur kollektiven Regelung der Arbeitsbedingungen (Verträge)" schließen. Es erscheint jedoch fraglich, ob darunter eine Tariffähigkeit i. S. des Tarifvertragsgesetzes zu verstehen ist. Vielmehr dürfte es sich dabei, wie die unbestimmte Formulierung im Klammerzusatz und der unmittelbare Anschluß an § 2 Abs. 1 der Satzung (der ja gerade das Bekenntnis zum Dritten Weg enthält) nahelegen, um Vereinbarungen des Dritten Weges handeln, an deren Zustandekommen der Verband mitwirkt und mitwirken will. Heißt es in § 2 Abs. 1 der Satzung, der Verband könne Dachorganisationen beitreten, dürften damit Organisationen gemeint sein, die sich zum Dritten Weg bekennen, nicht aber solche des Tarifvertragswesens. Folgt man dieser durchaus naheliegenden Auffassung, dann besteht keine Zuständigkeit der Mitgliederversammlung, einen Beitritt zur BDA zu beschließen, ohne die Satzung zu ändern.

Es erscheint fraglich, ob der damit rechtswidrige Beschluß auch nichtig wäre. Hier muß man in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung und dem herrschenden Schrifttum wohl eher zurückhaltend urteilen.19 Ist der Verstoß gegen die Satzung nicht gerügt worden, wird man kaum eine Nichtigkeit des Beschlusses annehmen können. Ist der Beschluß aber nichtig, könnte nicht nur jedes Vereinsmitglied, sondern auch jeder Außenstehende durch Feststellungsklage gem. § 256 ZPO die Nichtigkeit des Verbandsbeschlusses geltend machen.20 Da Rechtsprechung und Schrifttum das Feststellungsinteresse i. S. des § 256 ZPO recht großzügig 21 auslegen , erscheint es nicht ausgeschlossen, auch dem Diakonischen Werk der EKD eine Klage zu ermöglichen.


lV. Konsequenzen für die Vereinbarungen des Dritten Weges

Für die rechtliche Beurteilung der Regelungen des Dritten Weges dürfte der Schritt des VdDD - oder ähnliche Entwicklungen auf katholischer Seite - zu keinen Änderungen führen. Bislang besteht in Gesetzgebung und Rechtsprechung die weitgehende Bereitschaft, Regelungen des Dritten Weges gleich zu behandeln mit tarifvertraglichen Regelungen. So behandelt der Gesetzgeber die Arbeitsvertragslinien der Kirchen immer häufiger wie Tarifverträge, indem er eine Abänderbarkeit der gesetzlichen Regelung im selben Maß zuläßt wie durch Tarifverträge, z.B. in § 6 Abs. 3 BeschFG, § 21a Abs. 3 ArbSchG, § 7 Abs. 4 ArbZG. Die Rechtsprechung ist nach anfänglichem Zögern dieser Tendenz gefolgt, etwa bei der Frage der Inhaltskontrolle kirchlicher Arbeitsvertragsrichtlinien und verzichtet darauf ebenso wie bei Tarifverträgen, zumindest wenn Tarifverträge des Öffentlichen Dienst übernommen werden.22

Diese Bereitschaft fußt maßgeblich auf der Ausgestaltung des Dritten Weges, die eine Richtigkeitschance für einen angemessenen Ausgleich zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen gewährt, die der des Tarifvertrags gleichwertig ist. Aber auch, wenn die mehr partnerschaftliche Gestaltung einem eher antagonistischen Verhandlungsmodell weicht, dürfte dies die Rechtsprechung kaum zum Anlaß nehmen, einen Schritt zurückzugehen. Dies zeigen die Gründe der letzten einschlägigen Entscheidung im Urteil vom 28.1.1998.23 Dort führte das Bundesarbeitsgericht an, warum es auf eine Inhaltskontrolle verzichtet: Die Kommission ist unabhängig dank der Weisungsfreiheit aller ihrer Mitglieder, sie ist paritätisch zusammengesetzt, und es gilt der Grundsatz der Lohngerechtigkeit des can. 231 § 2 CIC. Der erkennende Senat nahm damit Bezug auf wesentliche Gestaltungselemente des Dritten Weges, nicht aber auf die partnerschaftliche Ausgestaltung durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Weil die Rechtsprechung sich also nicht auf diesen Umstand stützt, mag eine Abschwächung des partnerschaftlichen Elements an ihrer Bereitschaft, die Regelungen des Dritten Weges denen des Tarifvertrages gleichzustellen, vielleicht nichts ändern; sicher ist dies aber nicht, bedenkt man den dargelegten hohen Stellenwert der Partnerschaftlichkeit im Dritten Weg.24 Insbesondere weil die Rechtsprechung hier stark im Fluß ist, könnte diese Änderung aber auch zu einer abweichenden Beurteilung Anlaß geben, und die Entscheidungslinie hin in Richtung stärkerer Gleichbehandlung mit dem Tarifvertrag zukünftig in Frage stellen.


V. Konsequenzen für den Bestand des Dritten Wegs

Grundlegend. anders beurteilen sich die Konsequenzen, die der Schritt des VdDD für den langfristigen Bestand des Dritten Wegs haben könnte, auf katholischer wie auf evangelischer Seite. Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum wird gerade auch in neuerer Zeit verstärkt gefordert, daß sich die Kirchen und ihre Einrichtungen dem Tarifvertragswesen öffnen und ein Arbeitskampf zumindest da zulässig sein soll, wo ein Arbeitsverhältnis nicht unmittelbar Aufgaben der Verkündigung betrifft.25 Die herrschende Meinung ist dem stets entgegen getreten unter Hinweis auf das Wesen der Dienstgemeinschaft, das solchen Antagonismus nicht zuläßt. Wenn sich aber nun nicht nur die Dienstnehmerseite, sondern auch die Dienstgeberseite nach außen hin deutlich erkennbar vom Leitbild des partnerschaftlichen Zusammenwirkens distanziert und für eine Vereinigung entscheidet, die gerade auf dem Antagonismus aufbaut, den die kirchliche Dienstgemeinschaft ablehnen muß, dann schwächt dies die Argumente der herrschenden Meinung ganz erheblich. Denn nun würde man die Gestaltung kirchlicher Arbeitsverhältnisse an einem Leitbild ausrichten, von dem sich beide Beteiligten distanzieren; dann kann es nicht Aufgabe eines Dritten sein, als Hüter dieses bisherigen Leitbildes zu einzutreten. Wenn sich die Dienstgeberseite und die Dienstnehmerseite für eine wenn auch nur mittelbare Einbindung in die Verbandsstrukturen des Tarifvertragswesens entscheiden, dann fällt die Begründung schwer, warum nicht auch die Instrumente des Tarifvertragswesens zum Schutze der Arbeitnehmerinteressen anwendbar sein sollten. Bislang hat die Gegenseite stets damit argumentiert, insbesondere auch der nichtchristliche Mitarbeiter sei weniger Dienstnehmer zur Verwirklichung des Sendungsauftrags der Kirche, als vielmehr Arbeitnehmer zur Sicherung seines Lebensunterhalts.26 Wenn nun auch die Dienstgeberseite zeigt, daß sie weniger Kirche zur Verwirklichung des Sendungsauftrags ist als vielmehr Arbeitgeber, dem eine organisatorische Gleichordnung mit weltlichen Arbeitgebern angemessen erscheint, dann ist dies ein wesentlicher Schritt hin zum Zweiten Weg.

Eine durchaus überzeugende Argumentation der Apologeten des Tarifvertragswesens auch im kirchlichen Bereich könnte in etwa folgende Linie nachzeichnen: Art. 9 Abs. 3 GG und die Betätigungsfreiheit der Koalitionen werden im kirchlichen Bereich nur insoweit eingeschränkt, als dies das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen gem. Art. 137 Abs. 3 WRV i.V. m. Art. 140 GG gebietet. Nach der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts bleibt es daher "grundsätzlich den verfaßten Kirchen überlassen, verbindlich zu bestimmen, was die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihre eigene Verkündigung erfordert, was spezifisch kircheneigene Aufgaben sind, was Nähe zu ihnen bedeutet, welches die wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre sind und was (gegebenenfalls) als schwerer Verstoß gegen diese anzusehen ist."27 Daher können die Kirchen die antagonistischen Regelungsinstrumente, die das weltliche Arbeitsverhältnis prägen, für ihren Bereich ausschließen, jedoch nur dann, wenn dies tatsächlich aus ihrer Lehre folgt. Den Gerichten kann es nicht genommen werden, die Unschlüssigkeit der Folgerungen der Kirche darzulegen, insbesondere daß sie sich in Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten setzt. Das ist etwa für die Loyalitätspflichten im kirchlichen Dienst ständige Rechtsprechung und wird vom Schrifttum ebenso gesehen.28 Dieser Widerspruch läge nun darin, daß sich die Kirche oder Caritas/Diakonie selbst der am Gegensatz zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen orientierten Verbandsstruktur des Tarifvertragswesens bedient. Warum hier nicht weitergehende Schritte möglich sein sollen, erschiene dann stark begründungsbedürftig. Die Kirche sollte sich diesem Begründungsdruck nicht aussetzen.


VI. Zusammenfassung und Empfehlung

1. Der Dritte Weg fußt auf der kirchlichen Dienstgemeinschaft. Die kirchliche Dienstgemeinschaft verlangt ein partnerschaftliches Umgehen miteinander; Partnerschaftlichkeit ist daher auch Charakteristikum des Dritten Wegs.

2. Der Partnerschaftlichkeit des Dritten Wegs widerspricht es, sich der an der Gegensätzlichkeit von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen orientierten Mittel des Tarif- und Arbeitskampfrechts zu bedienen. Ein Arbeitskampf im kirchlichen Dienst ist daher ausgeschlossen, Tarifverträge werden nicht abgeschlossen.

3. Der Partnerschaftlichkeit des Dritten Weges widerspricht es auch, Organisationen des Tarifrechts an der Gestaltung zu beteiligen. Allerdings ist eben dies im Bereich der evangelischen Kirche und der Diakonie den Gewerkschaften auf Dienstnehmerseite, anders als bei der katholischen Kirche, zugestanden. Dies ist jedoch eine Abweichung vom Dritten Weg, die ein Zugeständnis an die Koalitionsfreiheit der Dienstnehmer darstellt.

4. Schaut man auf die Gründe, auf die sich die Rechtsprechung bei der Gleichbehandlung von Tarifvertrag und kirchlicher Arbeitsvertragsregelung stützt, so kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich auch nach Beitritt des VdDD zur BDA hierbei Abweichungen ergeben

5. Der Beitritt des VdDD zur BDA - und eine ähnliche Entwicklung bei der Dienstgeberseite im Bereich der katholischen Caritas - hat Konsequenzen insbesondere für die Glaubwürdigkeit des Dritten Weges und die Argumentation gegen Forderungen, ihn durch tarifvertragliche Strukturen zu ersetzen. Wesentlich hierfür ist, daß sich in der Eingliederung der Dienstgeberseite in die Verbandsstrukturen des Tarifvertragswesens eine Distanzierung vom Dritten Weg ausdrückt. Wenn die Kirche als Dienstgeberseite nicht mehr am Ideal der Dienstgemeinschaft und den sich daraus ergebenden Konsequenzen festhält, fällt die Begründung schwer, ihn trotzdem als verbindliche Vorgabe aus dem Selbstbestimmungsrecht gem. Art. 137 Abs. 3 WRV i. V. m. Art. 140 GG abzuleiten. Der Beitritt des VdDD in eine Spitzenorganisation des Tarifvertragsrechts ist kein Schritt zur Erneuerung des Dritten Wegs, sondern zu seiner Überwindung.

Ausgehend von diesen Feststellungen empfiehlt es sich, daß die arbeitsrechtliche Kommission des Diakonischen Werks der EKD darauf hinwirkt, daß der VdDD aus der BDA austritt; ansonsten sollte er zumindest langfristig aus der Mitwirkung im Dritten Weg ausgeschlossen werden. Für die Caritas gilt nichts anderes: Auch hier ist organisatorische Distanz zum Tarifvertragswesen zu wahren und entsprechende Schritte, wie sie der VdDD getan hat, sollten durch entsprechende Satzungsgestaltung ausgeschlossen werden.

Prof. Dr. Dres h.c. Peter Hanau

Dr. Gregor Thüsing, LL.M.


Fußnoten:

1 Ausführlich Thüsing, "20 Jahre Dritter Weg - Rechtsnatur und Besonderheiten der Regelung kirchlicher Arbeitsverhältnisse", RdA 1997, S.163 if.; Richard, Arbeitsrecht in der Kirche, 2. Aufl. 1992, § 13,S. 165ff.

2 Vgl. nur das gemeinsame Sozialwort der Kirchen, in dem sie an verschiedenen Stellen auf die Bedeutung und den Wert einer sinnvollen Tarifpolitik hinweisen: Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Wort des Rates der Evangelischen Kirchen Deutschlands und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage, 1997, Abschnitt 151 ff., 167f f., insbesondere 168.

3 BAG v. 10.6.1980 EZA Art 9 GG Arbeitskampf Nr.37, eine Formulierung Blanpains aufgreifend

4 Brisa, "Tarifvertrag" und "Dritter Weg". Arbeitsrechtsregelungsverfahren der Kirchen Diss Regensburg 1987, S.144 ff.; siehe auch Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 2. Auflage, 1992 § 12 Rn. 2 S 156; Thüsing, RBR 1997, S.163 ff.

5 Rüfner, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 5. 892; ähnlich A.Schneider, Evangelisches Staatslexikon, 3. Aufl., Abschn. "Arbeitsrecht in den Kirchen", Bd.I, Sp. 94.

6 BVerfG v.4.6.1986, BVerfGE 70, S.138,165 ff. ; vgl. auch Richardi, AR-Blattei Abschnitt 960 "Kirchenbedienstete" Rn. 9.

7 Ausdrücklich zuletzt BAG v. 6.11.1996, EZA § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr.16 mit Anm. Thüsing,

8 Vgl. Richard, Das Arbeitsrecht in der Kirche, S.31; Hanau/Thüsing uR 1999 S. 143, 146, Thüsing' ZevKR 1996, S.52, 64; ders. RdA 1997, S.163 ff.

9 Vgl. Sauter/Schweyer, Der eingetragene Verein, 15. Auflage 1994, rn. 348, S.252; Reichert/van Look, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, Rn. 608 ff m. zahlr. w. N.

10 Vgl. Richard, Arbeitsrecht in der Kirche, S.172; Thüsing, RdA 1997, S.164 ff.

11Vgl. dazu ausführlich Christoph, Zur Relativität des Gewerkschaftsbegriffs, ZevKR Bd. 31 (1986), S. 216 ff.

12 Vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S.168.

13 Für die Handwerksinnung vgl. BVerfGE 20,S.312,317; siehe auch von Münch in Bonner Kommentar Art. 9 GG Rn. 134 m. w. N.

14 Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 5. 118, ebenso Thüsing, ZDVKR 1996, S.53 ff.

15 Vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S.208 if., Mayer-Maly, BB 1979, S.632, Müller, RdA 1979, S.71; kritisch FittinglKaiser/Heither/Engels, BetrVG § 118, Rn. 48 m.w.N.

16 Vgl. ausführlich Wiedemann/Thüsing, Die Tariffähigkeit von Spitzenorganisationen und der Verhandlungsanspruch der Tarifvertragsparteien, RdA 1995, S. 280, 281ff.

17 BDA (Hrsg.), Sozialpolitische Interessenvertretung und Dienstleistung für die Wirtschaft, Köln, 1995 S.3.

18 a.a.O., S.4.

19 Vgl. Sauter/Schweier, Der eingetragene Verein, Rn. 212 m.w. N.; Reichert/van Look, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, Rn. 1171ff.

20 BGH NJW 1989, S. 2059 (zum WEG); für den Verein: Reichert/van Look, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, Rn. 1175 m.w.N.

21 Vgl. Greger, in: Zöller, § 256 ZPO Rn 7-8; Schumann, in: Stein-Jonas, § 256 ZPO Rn 61 ff.

22 BAG v. 28.1.1998, ZevKR 1999, S. 90 m. Anm. Thüsing

23 BAG v. 28.1.1998, ZevKR 1999, S. 90 m. Anm. Thüsing

24 Vgl. den Überblick bei Thüsing/Börschel, NZA-RR 1999, S.561, 563.

25 Vgl. jüngst Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht. Band 1,S. 136ff., Hammer, AuR 1995, S.161 ff.; dagegen Thüsing ZevKR 1996, S.52 ff.

26 Vgl. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht Bd. 1, S.141; zuvor bereits die prominente Stimme Nell-Breunings, AuR 1979, Sonderheft, S.1, 8; ähnlich Bieback, in: Däubler, Arbeitskampfrecht, 3. Aufl. 1987, Rn 498 ff.

27 BVerfGE 70, S.138,168.

28 Für die Rechtsprechung zuletzt BAG v. 16.9.1999, EzA Nr.45 zu § 611 BGB Kirchliche Arbeitnehmer; für das Schrifttum Rüfner, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S.903 f. m.w.N.

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