- Vorwort
- Freistellung und alles, was damit
zusammenhängt
- Ausstattung und Kosten der Mitarbeitervertretung
- Schulungen und Arbeitsbefreiung
- Information: was die MAV nicht weiß,
macht sie nicht heiß ...
- Mitbestimmung
- Dienstvereinbarungen
- Sonstiges und Interessantes
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Geht es Ihnen auch manchmal so? Da liegt man mit
seinem Dienstgeber im besten Clinch und benötigt - natürlich
sofort - als Argumentationshilfe eine Gerichtsentscheidung. Richtig
... in den DiAG-Infos stand da mal was!? Aber wie dem so ist, diese
sind in der Ablage verschwunden und das Wiederfinden ist halt sehr schwer.
Das ganze schöne Wissen ruht sanft in den Papierstapeln vor sich
hin.
Mit dieser Sonderausgabe des DiAG-Infos soll
diesem Missstand abgeholfen werden: nach Themenbereichen finden
Sie hier griffbereit wichtige Urteile zur MAV-Arbeit - mit Leitsätzen
und zum Teil mit Begründungen - deren Inhalte unserer Ansicht
auch auf unser Mitarbeitervertretungsrecht übertragbar sind
oder allgemeine Bedeutung haben.
Quellen sind die "Arbeitsrechtliche Sofortinformation
der Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht" (EZA, Verlag Luchterhand),
die Fachzeitschrift "Der Betriebsberater", das Bundesarbeitsgericht
und nicht zuletzt die Veröffentlichungen aus den MAVO-Schlichtungsstellen
und Kirchlichen Arbeitsgerichten.
Die Entscheidungssammlung in diesem DiAG-Info wird
auch laufend aktualisiert - und wenn wieder wichtige neue Urteile vorliegen,
gibt es eine neue Auflage.
Mit freundlichen Grüßen
1. Freistellung und alles, was damit
zusammenhängt
Abmeldeverfahren und Darlegungslast zur Erforderlichkeit
der Betriebsratstätigkeit
Auszug aus den Pressemitteilungen des Bundesarbeitsgerichtes:
... Verläßt ein Betriebsratsmitglied seinen
Arbeitsplatz, um eine Aufgabe nach dem BetrVG wahrzunehmen, hat es sich
wie jeder andere Arbeitnehmer abzumelden. Damit soll dem Arbeitgeber
die Arbeitseinteilung erleichtert werden.
Die Kenntnis der Art der vom Betriebsratsmitglied beabsichtigten
Tätigkeit führt nicht zu besseren Koordinierungsmöglichkeiten.
Deshalb hält der Senat nicht an seiner Auffassung fest, bei der
Abmeldung habe das Betriebsratsmitglied auch die Art der Tätigkeit
anzugeben.
Die ordnungsgemäße Abmeldung führt aber
auch nicht zu einem Anspruch auf Lohnanspruch nach § 611 BGB i.V.m.
§ 37 Abs.2 BetrVG. Ob das Betriebsratsmitglied eine gesetzliche
Aufgabe wahrgenommen hat, beurteilt sich nach objektiven Maßstäben.
Ob das Betriebsratsmitglied die Wahrnehmung einer Betriebsratsaufgabe
für erforderlich halten durfte, ist vom Standpunkt eines vernünftigen
Dritten zu beantworten.
Zweifelt der Arbeitgeber unter der Beachtung des Grundsatzes
der vertrauensvollen Zusammenarbeit aufgrund der konkreten betrieblichen
Situation und des vom Betriebsratsmitglied genannten Zeitaufwands an
der Erforderlichkeit der Betriebsratstätigkeit, hat das Betriebs-ratsmitglied
dem Arbeitgeber stichwortartige Angaben zu übermitteln, die diesem
zumindest eine Plausibilitätskontrolle ermöglichen. Solange
das Betriebsratsmitglied dieser Darlegungspflicht nicht nachkommt, kann
der Arbeitgeber den Lohn zurückhalten.
Erhält der Arbeitgeber die stichwortartigen Angaben,
geht die Darlegungslast zunächst auf ihn über. Legt er dar,
weshalb - auch unter Berücksichtigung oder gerade wegen der stichwortartigen
Angaben des Betriebsratsmitglieds - ganz erhebliche Zweifel an der Erforderlichkeit
von Art und Umfang der Betriebsratstätigkeit bestehen, hat das
Betriebsratsmitglied substantiiert darzulegen, welche Betriebsratsaufgaben
es wahrgenommen hat und woraus sich die Erforderlichkeit ergibt....
BAG, Urteil vom 15.3.1995, 7 AZR 643/94 - Pressemitteilung
des BAG Nr. 16/95
Abmahnung eines Betriebsratsmitgliedes, Entfernungsverlangen
Amtlicher Leitsatz:
Ist ein Betriebsratsmitglied der objektiv fehlerhaften
Ansicht, eine Betriebsratsaufgabe wahrzunehmen, kommt eine Abmahnung
des Arbeitgebers wegen einer dadurch bedingten Versäumnis der Arbeitszeit
nicht in Betracht, wenn es sich um die Verkennung schwieriger oder ungeklärter
Rechtsfragen handelt.
BAG, Urt. v. 31.8.1994, 7 AZR 893/93
Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds wegen Teilnahme
an einer Betriebsratssitzung trotz der Notwendigkeit der Erledigung
dringender Arbeiten im Rahmen des Arbeitsvertrages
nichtamtliche Leitsätze:
1. Der Arbeitgeber darf einem Betriebsratsmitglied nicht
die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung wegen vordringlicher Arbeiten
in seinem Arbeitsbereich untersagen.
2. Die Teilnahmepflicht an einer Betriebsratssitzung
muß nur dann zurückstehen, wenn eine betriebliche Notsituation
(z.B. Überschwemmung, Feuer usw.) gegeben ist.
LAG Hamm, Urt. v. 10.1.1996, 3 Sa 566/95
Aus Tatbestand und Entscheidungsgründen:
b) Nach Auffassung des LAG steht dem Kläger ein
Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte jedenfalls
deshalb zu, "weil ihm in dem Schreiben keine begangenen arbeitsvertraglichen
Pflichtverletzungen vorgeworfen werden. Der Kläger durfte und mußte
ohne eigenen Entscheidungsspielraum an der anberaumten Betriebsratssitzung
teilnehmen... Wie das Bundesarbeitsgericht zuletzt in seinem Urteil
vom 15.3.1995 (AP Nr. 105 zu § 37 BetrVG 1972 = EZA § 37 BetrVG
1972 Nr. 124) entschieden hat..., ist ein Betriebsratsmitglied, wie
der Kläger, für erforderliche Betriebsratstätigkeiten
kraft Gesetzes freigestellt (§ 37 Abs. 2 BetrVG). Eine erforderliche
Betriebsratstätigkeit ist nach allgemeiner Meinung ... die Teilnahme
von Betriebsratsmitgliedern an Betriebsratssitzungen... Wie der 7. Senat
in dem angeführten Urteil vom 15.3.1995 weiter ausgeführt
hat, hat allerdings dann das Betriebsratsmitglied, also hier der Kläger,
wenn der Arbeitgeber ihm vor Beginn der Betriebsratstätigkeit eine
Organisationsproblematik beschreibt, nach der er an seinem Arbeitsplatz
unabkömmlich ist, zu überprüfen, ob und inwieweit die
geplante Wahrnehmung einer Betriebsratsaufgabe aufgegeben oder verschoben
werden kann...". Einen derartigen Entscheidungsspielraum besaß
der Kläger nach Auffassung des LAG am Morgen des 14.11.1994 nicht:
"Die Betriebsratssitzung war ab 10.00 Uhr festgesetzt. Der Kläger
konnte als einfaches Betriebsratsmitglied die Sitzung nicht verlegen,
da der Vorsitzende bzw. dessen Stellvertreter die Sitzung nach §
29 Abs. 2 BetrVG anberaumt hatte. Entgegen der Meinung der Beklagten
konnte der Kläger auch nicht frei bestimmen, ob er oder nach §
25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ein Ersatzmitglied an der Sitzung teilnimmt.
Ist es dem ordentlichen Betriebsratsmitglied überhaupt möglich,
an einer Betriebsratssitzung teilzunehmen und kommt er trotzdem nicht
zu der Sitzung, so begeht das Mitglied eine Amtspflichtverletzung, die
gem. § 23 Abs. 1 BetrVG zum Ausschluß des Mitgliedes aus
dem Betriebsrat führen kann. Aus dieser gesetzlichen bewehrten
Teilnahmepflicht des Klägers an der anberaumten Betriebsratssitzung
folgt, daß die Beklagte als Arbeitgeberin nicht berechtigt ist,
die Teilnahme des Klägers an einer solchen Sitzung zu untersagen,
weil die Erledigung dringender Arbeiten im Rahmen des Arbeitsvertrages
vordringlich sei...".
Das LAG räumt ein, daß ausnahmsweise einmal
die Teilnahmepflicht eines Betriebsratsmitgliedes an einer Betriebsratssitzung
gegenüber einer betrieblichen Notwendigkeit nach § 2 Abs.
1 BetrVG, § 242 BGB und der Treuepflicht des Arbeitnehmers zurückstehen
kann: "Dies muß jedoch wegen der im Betriebsverfassungsgesetz
normierten Teilnahmepflicht des Mitglieds, dem anderenfalls der Ausschluß
aus dem Betriebsrat droht, auf betriebliche Notsituationen beschränkt
bleiben, so daß betriebliche Notwendigkeiten dafür nicht
ausreichen. Für eine betriebliche Notsituation (z.B. Überschwemmung,
Feuer usw.) hat die Beklagte keinerlei Fakten dargelegt. Würde
man die Teilnahmepflicht des Betriebsratsmitglieds an Betriebsratssitzungen
nicht nur in betrieblichen Notlagen suspendieren, könnte der Arbeitgeber
leicht die Zusammensetzung des Betriebsrates während der Sitzungen
manipulieren. Er müßte nur für bestimmte Betriebsratsmitglieder
in Sitzungszeiten notwendige Arbeiten anordnen, um diese von den Sitzungen
fernhalten zu können...".
2. Ausstattung und Kosten der Mitarbeitervertretung
Fachliteratur für die Betriebsvertretung
Amtlicher Leitsatz:
Das auf der gesetzlichen Aufgabenstellung beruhende
Informationsbedürfnis des Betriebs-rats verlangt, daß sich
die ihm von dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellenden Kommentare
jeweils auf dem neuesten Stand befinden und bei einem Wechsel der Auflage
auch neu beschafft werden; dabei steht dem Betriebsrat ein Wahlrecht
darüber zu, ob er an dem bisherigen Kommentar festhält oder
ob ihm ein anderer für seine Bedürfnisse geeigneter erscheint.
BAG, Beschl. v. 26.10.1994, 7 ABR 15/94
Betriebsrat, sachliche Mittel, Fachliteratur,
Gesetzestexte, Gesetzessammlung, Auswahlrecht, Kosten, Überwachungspflicht
Amtliche Leitsätze:
1. Bei einem mehrköpfigen Betriebsrat ist es erforderlich
im Sinne des § 40 Abs. 2 BetrVG, jedem Betriebsratsmitglied eine
Sammlung der gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu überwachenden
grundlegenden Gesetze und Verordnungen zur Verfügung zu stellen.
2. Der Betriebsrat hat insoweit ein Auswahlrecht.
LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 11.4.1995, 1 TaBV
4/95
Personal-Computer mit Drucker für Betriebsratsarbeit
Ein aus mehreren Mitgliedern bestehender Betriebsrat
kann in der heutigen Zeit ohne Darlegung der Erforderlichkeit verlangen,
daß ihm die Arbeitgeberin einen PC nebst Drucker für seine
Bürotätigkeit zur Verfügung stellt (Abänderung der
bisherigen Rechtsprechung der Kammer).
LAG Hamm, Beschluß vom 12.02.1997 - 3 TaBV 57/96:
Rechtsbeschwerde eingelegt (7 ABR 32/97)
Telefax als Betriebsratskosten
Leitsatz:
Ein aus mehreren Mitgliedern bestehender Betriebsrat
kann in der heutigen Zeit ohne Darlegung der Erforderlichkeit verlangen,
daß ihm die Arbeitgeberin ein Telefaxgerät zur Verfügung
stellt, wenn dem Betriebsrat die Mitbenutzung der Geräte der Arbeitgeberin
nicht zumutbar ist.
LAG Hamm, Beschluß vom 14.05.1997 - 3TaBV2/97: rechtskräftig
Internetzugang für den Betriebsrat
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat durch Beschluss entschieden,
dass eine Arbeitgeberin verpflichtet ist, zwei bereits vorhandene PC`s
der freigestellten Betriebsratsmitglieder im Betriebsratsbüro an
das Internet anzuschließen und die etwaigen laufenden Kosten zu
übernehmen.
Bei der gerichtlichen Überprüfung der Erforderlichkeit im
Sinne von § 40 Abs. 2 BetrVG wurde untersucht, ob die verlangte
technische Ausstattung der Wahrnehmung gesetzlicher Aufgabenstellung
dienen soll und der Betriebsrat seine Entscheidung nach pflichtgemäßen
Ermessen getroffen hat. Nach der Rechtsprechung des BAG kann der Betriebsrat
seinen Anspruch nicht allein darauf stützen, daß im Unternehmen
der Beklagten die Internetnutzung üblich ist. Die Erforderlichkeit
bestimmt sich nicht nach dem technischen Ausstattungsniveau des Arbeitgebers.
Entscheidend war allerdings, dass der Arbeitgeberin, dadurch, dass sie
die vorhandenen zwei PC`s an das Internet anschließt und die Benutzung
durch die Betriebsratsmitglieder zulässt, keinerlei Kosten entstehen,
da die Arbeitgeberin für die Verbindungskosten aufgrund einer Flatrate-Vereinbarung
eine pauschale Vergütung zahlt.
LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 31.10.2002 - 1 Ta BV 16/02 -
Kostenübernahme einer rechtsanwaltlichen
Beratung in Angelegenheiten der MAVO
nichtamtliche Leitsätze:
1. Art. 10 Abs. 2 GrO und die Erklärung der Deutschen
Bischöfe zum kirchlichen Dienst garantieren einen umfassenden Rechtsschutz
im Bereich der MAVO.
2. Anwaltskosten gehören nicht zu den dienstgeberseitig
zu tragenden Kosten i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz l MAVO.
Schlichtungsstelle der Erzdiözese München
und Freising Beschluß vom 28.02.1996 - 1 AR 96
Zum Sachverhalt:
Die Mitarbeitervertretung verlangt vorn Dienstgeber
Erstattung von Anwaltskosten in Höhe von DM 5.175, entstanden durch
anwaltschaftliche Beratung der MAV in Angelegenheiten der MAVO. Zur
Begründung trägt die Antragstellerin vor, sie habe diese anwaltschaftlichen
Hilfestellungen in Anspruch nehmen müssen, um ihre Amtsgeschäfte
angemessen wahrnehmen zu können. Soweit der Dienstgeber einwendet,
für Rechtsberatungen (auch) der Mitarbeitervertretungen stehe Herr
X. zur Verfügung, weist die MAV auf dessen Status als KODA-Mitglied
und auf die Gefahr einer möglichen Kollision seiner juristischen
und legislativen Funktionen hin. Das für rechtliche Beratungen
nötige Vertrauen zu diesem Rechtsberater wird verneint.
Aus den Gründen:
1. Die zur Entscheidung gestellten Anträge sind
nach Maßgabe des § 41 Abs. 1 Nr. 5 MAVO in Verbindung mit
Art. 10 Abs. 2 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher
Arbeitsverhältnisse vom 22. September 1993 statthaft und zulässig.
Soweit der Rückgriff auf Art. 10 Abs. 2 der Grundordnung
zur Begründung einer umfassenden Zuständigkeit der Schlichtungsstelle
für Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet des Mitarbeitervertretungsrechts
Kritik erfahren hat, hält die Schlichtungsstelle an ihrer Auslegung
fest. Sowohl die autorisierte Begründung zu Art. 10 Abs. 2 der
Grundordnung des kirchlichen Dienstes vom 22. September 1993 als auch
die Erklärung der deutschen Bischöfe vom 22. September 1993
zur Mitarbeitervertretung als kirchliche Betriebsverfassung sprechen
für einen umfassenden Rechtsschutz (auch) auf dem Gebet des kirchlichen
Mitarbeitervertretungsrechts. Die aus der Sendung der Kirche folgenden
Unterschiede zum weltlichen Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht
rechtfertigen den auch von der Schlichtungsstelle der Erzdiözese
München und Freising vertretenen (vgl. Beschluß vom 8. Januar
1996 - 3 AR 95) Ausschluß staatlicher Gerichte für Entscheidungen
über Streitigkeiten aus dem kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht.
Die kirchlichen Schichtungsstellen schließen die
damit entstanden Lücken im Rechtsschutz. Mit Verabschiedung der
Grundordnung des kirchlichen Dienste durch die Vollversammlung der Deutschen
Bischofskonferenz am 22. September 1993 kann ihnen eine umfassende Rechtsentscheidungskompetenz
bei mitarbeitervertretungsrechtlicher Streitigkeiten nicht mehr abgesprochen
werden.
Die Öffnung des Zugangs zu den Schlichtungsstellen
fördert den kircheneigenen Weg im Mitarbeitervertretungsrecht,
sie schafft Rechtssicherheit und Rechtsfrieden, vorausgesetzt, die Beschlüsse
der Schlichtungsstelle werden von den Beteiligten auch angenommen und
als das gesehen, was sie sind: Anwendung und Vollzug kirchlichen Rechts.
Der Dienstgeber ist nicht verpflichtet, der Mitarbeitervertretung
die Kostenrechnung vom 12. Dezember 1995 über einen Betrag von
DM 5.175,-- für anwaltschaftliche Beratung zu erstatten. Dafür
gibt es in der Mitarbeitervertretungsordnung für die Erzdiözese
München und Freising keine tragfähige Rechtsgrundlage.
Der für dieses Verlangen allein in Betracht kommende
und von der Antragstellerin auch angesprochene § 17 Abs. 1 Satz
1 MAVO sieht zwar vor, daß der Dienstgeber die für die Wahrnehmung
der Aufgaben der Mitarbeitervertretung notwendigen Kosten einschließlich
der Reisekosten ... trägt.
Die damit entscheidungserhebliche Frage, wann bzw. welche
Kosten "notwendig" sind, hat in der MAVO keine Regelung gefunden; Satz
2 dieses Absatzes bestimmt lediglich, daß zu den notwendigen Kosten
auch die Kosten für die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen i.S.d.
§ 16 gehören.
Die Schlichtungsstelle qualifiziert das bei einer Mitarbeitervertretung
entstandene anwaltschaftliche MAVO-Beratungshonorar nicht als notwendig
i.S.d § 17 Abs. 1 MAVO. Auf die näheren Einzelheiten dieser
Beratung kommt es damit nicht mehr an. Auch Bleistein/Thiel in ihrer
Kommentierung zur Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung
(2. Auflage) sehen das so (vgl. § 17 Rdnr. 11 mit weiteren Nachweisen).
Die Auslegung entspricht darüber hinaus der gefestigten Rechtsprechung
der Arbeits- und Verwaltungsgerichte. Die Mitarbeitervertretungsordnung
ist in Anlehnung an staatliches Recht (vgl. z.B. § 40 BetrVG, §
44 BPersVG) ergangen. Da die deutschen Bischöfe in der Erklärung
vom 22. September 1993 das Mitarbeitervertretungsrecht als kirchliche
Betriebsverfassung ansprechen und ausführen, daß die Ordnung
für Mitarbeitervertretungen ,,auch zur Wahrung einer Konkordanz
mit der staatlichen Arbeitsrechtsordnung" erlassen worden ist, drängt
sich bei Auslegungsfragen der Blick auf das staatliche Personalvertretungs-
und Betriebsverfassungsrecht sowie auf die dazu ergangene Rechtsprechung
auf. Vorangeht dabei aber stets die (bedauerliche) Erkenntnis, daß
eine einschlägige kirchliche Rechtsnorm die zu entscheidende Frage
nicht abschließend oder nicht eindeutig geregelt hat, wie hier,
weiche Kosten im Rahmen des § 17 Abs. 1 MAVO als notwendig erstattungsfähig
sind.
Im Betriebsverfassungsrecht wird anwaltschaftliches
Beratungshonorar nicht über die mit § 17 Abs. 1 MAVO vergleichbare
Bestimmung des § 40 BetrVG, sondern über § 80 Abs. 3
BetrVG, abgewickelt (vgl. Fitting/ Auffarth/ Kaiser/Heither, BetrVG,
17. Auflage, § 40 Rnr. 10 m.w.N.). Eine dem § 80 Abs. 3 BetrVG
entsprechende Regelung enthält die Mitarbeitervertretungsordnung
für die Erzdiözese München und Freising nicht.
Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei betriebsinterner
Veröffentlichung von Betriebsratskosten, Behinderung i.S.v. §
78 Satz 1 BetrVG
Amtlicher Leitsatz:
§ 43 Abs. 2 BetrVG verlangt von dem Arbeitgeber
nicht, sich auf einer Betriebsversammlung zu den Kosten der Betriebsratsarbeit
zu äußern. Hat der Arbeitgeber hieran ein berechtigtes Interesse,
darf er durch die Art und Weise der Informationsgestaltung und -vermittlung
den Betriebsrat nicht in seiner Amtsführung beeinträchtigen.
BAG, Beschl. v. 19.7.1995, 7 ABR 60/94 (LAG Baden-Württemberg,
veröffentlicht am 16.1.1996
Aus den Gründen:
... Die Parteien stritten über die Befugnis des
Arbeitgebers, die durch die Tätigkeit des Betriebsrats verursachten
Kosten betriebsintern bekanntzugeben.
Der für die T.-Niederlassung des Arbeitgebers gewählte
Betriebsrat besteht aus 7 Personen; ein Betriebsratsmitglied ist freigestellt.
Am 19.3.1993 fand in der Niederlassung eine Betriebsversammlung statt.
Im Rahmen des Berichts der Niederlassungsleitung wurde mittels eines
Overhead-Projektors und 10 Folien das Ergebnis der Niederlassung dargestellt.
Auf einer dieser Folien waren anhand einer Tabelle und
in grafischer Form die in den einzelnen Regionalabteilungen im Jahr
1992 erzielten Erträge dargestellt, denen der betriebliche Aufwand
für die Verwaltung und die Betriebsratstätigkeit gegenübergestellt
wurde. Die Kosten der Verwaltung wurden mit 1.394.032 DM, die Kosten
des Betriebsrats mit 543.800 DM angegeben. Die einzelnen Zahlen teilte
der Niederlassungsleiter kommentarlos mit. Im Anschluß an die
Betriebsversammlung wurden zwei Betriebsratsmitglieder auf die Kosten
der Betriebsratstätigkeit angesprochen.
Der Betriebsrat hatte geltend gemacht, der Niederlassungsleiter
sei nicht berechtigt, auf einer Betriebsversammlung die Kosten der Betriebsratstätigkeit
mitzuteilen. Durch die Vorgehensweise des Arbeitgebers sei der Betriebsrat
gegenüber der Belegschaft als "Minusmacher" dargestellt worden.
Das verstoße gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit.
Zudem störe es den Betriebsfrieden und behindere ihn in seiner
Betriebsratstätigkeit, weil er sich für gesetzlich angeordnete
und vom Arbeitgeber auf Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit
hin überprüfte Kosten rechtfertigen müsse. Das gelte
auch, wenn der Arbeitgeber der Belegschaft oder anderen Arbeitnehmern
diese Zahlen außerhalb einer Betriebs-versammlung bekanntgebe...
..."Eine Bestimmung, die es dem Arbeitgeber gestattet
oder es ihm verwehrt, die durch die betriebsverfassungsrechtlichen Amtsträgerverursachten
Kosten betriebsintern bekanntzugeben, enthält das Betriebsverfassungsgesetz
nicht. Hält der Arbeitgeber die Mitteilung solcher Kosten im Rahmen
seines Rechenschaftsberichts auf einer Betriebsversammlung für
notwendig, hat er die berechtigten Belange des Betriebsrats zu beachten.
Er darf dabei weder gegen das Verbot der vertrauensvollen Zusammenarbeit
verstoßen noch durch die Art und Weise der Informationsgestaltung
und -vermittlung den Betriebsrat in seiner Amtsführung beeinträchtigen...".
... Die von dem Arbeitgeber auf der Betriebsversammlung
am 19.3.1993 praktizierte Form der Belegschaftsinformation war nach
Auffassung des BAG betriebsverfassungswidrig: "Bei der Darstellung der
wirtschaftlichen Ertragslage hatte der Arbeitgeber von allen, das Betriebsergebnis
negativ beeinflussenden Faktoren nur die betriebsratsbezogenen Kosten
gesondert genannt und die übrigen in einer gemeinsamen Kostenstelle
"Verwaltung" global ausgewiesen. Das hat zur Folge, daß sich die
Arbeitnehmer kein zuverlässiges und aussagekräftiges Bild
von allen kostenverursachenden und letztlich ertragsmindernden Faktoren
machen konnten. Vielmehr wird die Kostenverursachung durch die Wahrnehmung
betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben gezielt herausgestellt und mittels
einer Gegenüberstellung positiver Ertragsfaktoren in ihren nachteiligen
Auswirkungen auf das wirtschaftliche Ergebnis herausgehoben. Durch die
Art und Weise der Darstellung wird nicht erkennbar, daß es sich
nur um Kosten handeln kann, für die der Arbeitgeber von Gesetzes
wegen einzustehen hat und auf deren Höhe der Betriebsrat nur durch
das Ausmaß seiner Amtstätigkeit Einfluß nimmt. Bleiben
diese Zusammenhänge unerwähnt, gerät der Betriebsrat
gegenüber der Belegschaft hinsichtlich der von ihm verursachten
Kosten unter Rechtfertigungsdruck. Das wirkt sich nachteilig auf eine
sachgerechte Interessenvertretung aus. Dadurch kann die Betriebsratsarbeit
erschwert und damit i.S.v. § 78 BetrVG behindert werden. Der Begriff
der Behinderung nach § 78 Satz 1 BetrVG ist umfassend zu verstehen.
Er umfaßt jede unzulässige Erschwerung, Störung oder
gar Verhinderung der Betriebsratsarbeit... Die Erschwerung der Betriebsratstätigkeit
tritt auch dann ein, wenn die Angaben als solche nicht wahrheitswidrig
und ohne Bewertung durch den Arbeitgeber erfolgen...".
... Ob die Bekanntgabe der Betriebsratskosten durch
den Arbeitgeber auf einer Betriebsversammlung das Gebot der vertrauensvollen
Zusammenarbeit verletzt oder den Betriebsrat in seiner Arbeit behindert,
ist nach Meinung des BAG von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles
abhängig: "Es sind Fälle denkbar, in denen ein berechtigtes
Informationsbedürfnis des Arbeitgebers oder ein berechtigtes Informationsinteresse
der Arbeitnehmer eine aussagekräftige Offenlegung von Betriebsratskosten
sachgerecht erscheinen lassen. Unter welch näheren Voraussetzungen
dies der Fall sein kann, braucht der Senat nicht abschließend
zu prüfen. Der Unterlassungsanspruch des Betriebsrats ist auf ein
ausnahmsloses Verbot der Bekanntgabe der Betriebsratskosten auf einer
Betriebsversammlung gerichtet. Dieses Recht steht dem Betriebsrat nicht
ohne Rücksicht auf die besonderen Umstände des Einzelfalles
zu. Aus diesem Grund kann er sich auch nicht mit Aussicht auf Erfolg
auf § 74 BetrVG berufen oder das Unterlassungsbegehren auf §
23 Abs. 3 BetrVG stützen...".
Behinderung der Betriebsratsmitglieder in der Ausübung
ihrer Tätigkeit
Ein Arbeitgeber lehnte den Wunsch eines Mitarbeiters
zur Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen mit der Erklärung
ab, die Finanzierung solcher Maßnahmen sei ein Problem, weil aus
dem Fortbildungsetat auch die Betriebsratskosten bestritten würden
und der Betriebsrat diesen Etat "recht stark" ausschöpfe.
Der Betriebsrat hat darin eine nach dem Betriebsverfassungsgesetz
verbotene Behinderung der Betriebsratsmitglieder in der Ausübung
ihrer Tätigkeit gesehen und vom Arbeitgeber verlangt, derartige
Äußerungen zu unterlassen.
Die Vorinstanzen haben dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben.
Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die dagegen gerichtete
Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers zurückgewiesen. Der Betriebsrat
kann vom Arbeitgeber verlangen, die beanstandeten Äußerungen
künftig zu unterlassen. Aus der Erklärung des Arbeitgebers
wird nicht erkennbar, daß es sich nur um für die Betriebsratstätigkeit
erforderliche und verhältnismäßige Kosten handeln kann,
für die der Arbeitgeber von Gesetzes wegen einzustehen hat. Durch
die Unvollständigkeit der Erklärung geraten Betriebsratsmitglieder
gegenüber den von ihnen vertretenen Arbeitnehmern in einen Rechtfertigungsdruck,
der als Behinderung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes anzusehen
ist. Diese Behinderung seiner Mitglieder muß der Betriebsrat nicht
hinnehmen.
BAG Beschluß vom 12. November 1997 - 7 ABR 14/97
-
LAG Köln Beschluß vom 29. November 1996 -
11 TaBV 42/96 -
3. Schulungen und Arbeitsbefreiung
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Amtliche Leitsätze:
1. Grundsätzlich bedarf das Entsenden von mehreren
Betriebsratsmitgliedern zur gleichen Schulungsveranstaltung einer besonders
sorgfältigen Prüfung des Betriebsrates.
2. Nur ausnahmsweise ist eine gleichzeitige Entsendung
etwa dann möglich, wenn ein Betriebsrat mit wenig geschulten Mitgliedern
seine Entscheidungen in einer objektiv schwierigen Materie nicht vom
mehr oder minder bleibenden Schulungserfolg bei nur einem entsandten
Mitglied abhängig machen will.
Hessisches LAG, Beschl. v. 29.6.1995, 12 TaBV 73/94
(ArbG Bad Hersfeld),
Kostentragung für Schulung eines Betriebsratsmitglieds
Amtlicher Leitsatz:
Die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung
"Management-techniken für Betriebs- und Personalräte" ist
jedenfalls bei fehlender Darlegung eines betrieb-lichen Bezugs nicht
im Sinne von § 37 Abs. 6, § 40 Abs. 1 BetrVG erforderlich.
BAG, Beschl. v. 14.9.1994, 7 ABR 27/94
Betriebsratsschulung, Schweigen des Arbeitgebers
Amtliche Leitsätze:
1. Der Arbeitgeber ist nicht bereits deshalb verpflichtet,
die Schulungskosten nach § 37 Abs. 6, § 40 Abs. 1 BetrVG zu
tragen, weil er auf eine Mitteilung des Betriebsrats, ein bestimmtes
Betriebsratsmitglied zu dieser Schulungsveranstaltung entsenden zu wollen,
geschwiegen hat.
2. Die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer
Schulungsveranstaltung "Diskussionsführung und Verhandlungstechnik"
ist nur dann als erforderlich im Sinne von § 37 Abs. 6, §
40 Abs. 1 BetrVG anzusehen, wenn das entsandte Betriebsratsmitglied
im Betriebsrat eine derart herausgehobene Stellung einnimmt, daß
gerade seine Schulung für die Betriebsratsarbeit notwendig ist.
BAG, Beschl. v. 24.5.1995, 7 ABR 54/94
Kostentragung für eine Betriebsratsschulung
Amtlicher Leitsatz:
Auch die Erläuterung der aktuellen Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts zu betriebsverfassungsrechtlichen Fragen und
deren Umsetzung in die betriebliche Praxis kann ein im Sinne von §
37 Abs. 6 BetrVG erforderlicher Schulungsinhalt sein. Hierfür muß
sich der Betriebsrat nicht auf ein Selbststudium anhand der ihm zur
Verfügung stehenden Fachzeitschriften verweisen lassen.
BAG, Urt. v. 20.12.1995, 7 ABR 14/95
Keine Höchstgrenze für Schulungskosten
Leitsatz:
Der Beschluß des Personalrats, ein Personalratsmitglied
zu einer erforderlichen Schulungsveranstaltung zu entsenden, kann die
Dienststelle zur Erstattung der notwendigen Schulungskosten verpflichten.
Die in Nr. 6c der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften
des Finanzministeriums von Baden-Württemberg (VV-LRKG) zu Paragraph
1 des Landesreisekostengesetzes (LRKG) festgelegte Höchstgrenzenregelung
für die Erstattung der Schulungskosten ist eine die Gerichte nicht
bindende interne Regelung, die weder im Personalvertretungsgesetz noch
im Landesreisekostengesetz eine Rechtsgrundlage hat und deshalb die
Erstattung der Schulungskosten nicht begrenzen kann.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 07.12.1994 (6 P
36.93)
Betriebsräteschulung über Qualitätsmanagementsysteme
Leitsätze:
1. Plant der Arbeitgeber die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems
nach DIN/ISO 9000-9004, das die Sicherstellung der ständig gleichbleibenden
Qualität eines Produktionsprozesses zum Gegenstand hat und die
Teilnahme an einem entsprechenden Zertifizierungsverfahren, kann eine
Schulung von Betriebsratsmitgliedern über den Inhalt dieses Systems
erforderliche Kenntnisse i. S. 5. d. § 37 Abs. 6 BetrVG vermitteln.
Gegenstand der Schulung ist die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems,
das sich insgesamt auf den Produktionsprozeß auswirkt und deshalb
geeignet ist, Folgen für sämtliche am Produktionsprozeß
teilnehmenden Mitarbeiter auszulösen.
2. Für die Beurteilung. ob die Schulung erforderlich
ist, kommt es nicht darauf an, worin im einzelnen durch die Einführung
des Systems Mitwirkungsrechte des Betriebsrates berührt werden
können. Entscheidend ist, daß dieses System zu mitbestimmungspflichtigen
Maßnahmen führen kann und aller Voraussicht nach auch führen
wird. Damit wird der Betriebsrat vor die Aufgabe gestellt, zu den im
einzelnen durchzuführenden Maßnahmen, soweit seine Mitbestimmungsrechte
betroffen sind, sachkundig Stellung zu nehmen und auf der Basis eines
fundierten Wissens über Zustimmung oder Ablehnung zur geplanten
betrieblichen Maßnahme zu entscheiden. Dazu ist er nur in der
Lage, wenn er die Ziele kennt, die der Arbeitgeber mit der Einführung
des Qualitätsmanagementsystems verfolgt, und wenn er Vorteile und
Nachteile dieses Systems für die Belegschaft sachkundig abschätzen
kann.
3. Ist die Schulung in zwei Abschnitte unterteilt, bei
denen der erste Abschnitt vornehmlich der Vermittlung theoretischer
Kenntnisse dient, während im zweiten Abschnitt der Erfahrungsaustausch
mit anderen Betriebsratsmitgliedern und Praktikern im Vordergrund steht,
ist für beide Teile der Schulung grundsätzlich die Erforderlichkeit
zu bejahen. Für den Betriebsrat ist insbesondere wichtig, durch
die Diskussion mit anderen Betriebsräten praxisbezogene Erkenntnisse
zu gewinnen und die schon in anderen Betrieben aufgetretenen Konsequenzen
dieses Systems zu erfahren.
4. Der Arbeitgeber ist nur zur Erstattung der Kosten
in der Höhe verpflichtet, in der sie verhältnismäßig
und erforderlich waren. Er ist grundsätzlich nicht verpflichtet,
Einrichtungen des Gegners zu finanzieren und zu den Verwaltungskosten
für Bildungseinrichtungen des sozialen Gegenspielers beizutragen
(vgl. etwa BAG, 28.6.1995, EZA Nr.74 zu § 40 BetrVG 1972).
LAG Rheinland-Pfalz, Beschluß vom 19.11.1996 -
3 TaBV 23/96
Keine bezahlte Freistellung nach § 37 Abs.
7 BetrVG für Ersatzmitglieder des Betriebsrats
Amtlicher Leitsatz:
Ersatzmitglieder des Betriebsrats haben, solange sie
nicht gemäß § 25 Abs.1 Satz 1 BetrVG für ein ausgeschiedenes
Betriebsratsmitglied in den Betriebsrat nachgerückt sind, keinen
Anspruch auf bezahlte Freistellung für Schulungsveranstaltungen
nach § 37 Abs.7 BetrVG.
BAG, Beschl. v. 14.12.1994, 7 ABR 31/94
Freizeitausgleich für teilzeitbeschäftigte
Mitarbeitervertreter bei der Teilnahme an Schulungen
Nach der deutschen Rechtsordnung (§ 37 BetrVG / § 16 MAVO)
steht teilzeitbeschäftigten Betriebsräten kein Freizeitausgleich
für die Zeiten zu, die bei ganztägigen Schulungen außerhalb
der individuellen Arbeitszeit liegen.
Nach der Auffassung des BAG liegt eine Ungleichbehandlung
gegenüber Vollzeitbeschäftigten nicht vor, da hier das Lohnausfallsprinzip
einheitlich angewendet wird: alle Betriebsratsmitglieder werden vergütungsmäßig
so gestellt, als ob sie am Arbeitsplatz verblieben wären und gearbeitet
hätten; es entstehen keine Vergütungseinbußen. Würden
teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder diese Zeiten außerhalb
der individuellen Arbeitszeit vergütet erhalten, so wäre dies
ein Sondervorteil gegenüber anderen Arbeitnehmern, die ihre Arbeitszeit
nicht ausdehnen können. Außerdem soll - als sozialpolitisches
Ziel - die Unabhängigkeit des Betriebsrates gewährleistet
werden; also keine wirtschaftlichen Anreize für die Ausübung
des unentgeltlichen Ehrenamtes.
Infolge dieser Regelung müssen aber teilzeitbeschäftigte
Betriebsräte in der Regel mehr Freizeit einsetzen als vollzeitbeschäftigte
Betriebsräte.
In dieser Frage hatte der EuGH am 06.02.1996 verkündet,
daß der fehlende Freizeitausgleich für teilzeitbeschäftigte
Betriebsräte einen Verstoß gegen Art. 119 EWG-Vertrag und
gegen die Richtlinie 75/117/EWG darstellt. Der EuGH sieht hier zwingend
eine Ungleichbehandlung. Es sei ausreichend, daß die Zeit aufgrund
des Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses aufgewendet wird; es
sei unerheblich, daß sich der Zeitaufwand für die Schulung
nicht unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag ergibt.
Diese Ungleichbehandlung kann nur dann im Hinblick auf
Art. 119 EWG-Vertrag und die Richtlinie 75/117/EWG gerechtfertigt sein,
wenn sie sich zur Erreichung des sozialpolitischen Zieles (siehe oben)
als geeignet und erforderlich erweisen sollte. Es ist Sache des vorlegenden
Gerichtes (BAG), dies zu prüfen.
EuGH, Urteil vom 06.02.1996 - C-457/93
Kein Freizeitausgleich für teilzeitbeschäftigte
Betriebsratsmitglieder nach dem Besuch ganztägiger Schulungsveranstaltungen
Die Klägerin ist Mitglied eines 3-köpfigen Betriebsrats.
Ihre wöchentliche Arbeitszeit beträgt 30,8 Stunden verteilt
auf vier Wochentage. Auf Beschluß des Betriebsrats nahm sie an
einer einwöchigen Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6
BetrVG teil. An einem der Schulungstage hätte die Klägerin
wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung nicht arbeiten müssen. Der
Arbeitgeber zahlte für die Dauer des Schulungsbesuchs die vereinbarte
Arbeitsvergütung. Für die Schulungsteilnahme an ihrem arbeitsfreien
Tag verlangte die Klägerin bezahlten Freizeitausgleich für
7,5 Wochenstunden. Ihre Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg.
Auf die Vorlage des erkennenden Senats entschied der
Europäische Gerichtshof am 6.2.1996, daß der Ausschluß
von Freizeitausgleich für teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder
bei dem Besuch ganztägiger Betriebsratsschulungen eine gegen Art.
119 EG-Vertrag verstoßende mittelbare Frauendiskriminierung ist,
wenn er nicht durch ein legitimes sozialpolitisches Ziel gerechtfertigt
werden kann. Auf die Revision des Arbeitgebers hat der Senat die Entscheidung
des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Mit der Ausgestaltung des Betriebsratsamtes als unentgeltliches
Ehrenamt und der damit bezweckten Unabhängigkeit der Amtsführung
wird eine legitime sozialpolitische Zielsetzung verfolgt, die in keinem
Zusammenhang mit einer Geschlechtsdiskriminierung steht. Die aus dem
Ehrenamtsprinzip folgende Benachteiligung teilzeitbeschäftigter
Frauen ist zur Sicherung der inneren und äußeren Unabhängigkeit
der Betriebsräte hinzunehmen. Die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes
zum Grundsatz der Ehrenamtlichkeit der Betriebsratstätigkeit genügen
den Auforderungen des gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
BAG, Beschl. v. 5.3.1997, 7 AZR 581/92 - Pressemitteilung
des BAG Nr. 12/97
4. Information: was die MAV nicht
weiß, macht sie nicht heiß ...
Anhörung des Betriebsrats, Unterlagenoffenlegung
Amtlicher Leitsatz:
Der Arbeitgeber ist nach § 80 Abs. 2 BetrVG, der
auch im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 Abs. 1 BetrVG
Anwendung findet, verpflichtet, dem Betriebsrat auf Verlangen solche
Unterlagen, die die Kündigungsgründe veranschaulichen und
konkretisieren (hier: Detektivbericht mit Fotomappe) zur Verfügung
zu stellen. Die Anhörungsfrist des § 102 Abs. 2 BetrVG
wird durch ein solches Verlangen nicht verlängert.
LAG Hamm, Urt. v. 6.1.1994, 16 Sa 1216/93 (Revision
zugelassen)
Vorlage der Bruttolohn- und Bruttogehaltslisten
Die MAV hat ein Recht auf Einsichtnahme in die Bruttolohn-
und Bruttogehaltslisten der Mitarbeiter, aus denen sich die effektiven
Bruttobezüge einschließlich aller Zulagen und individuell
vereinbarten Zahlungen ergeben.
Schlichtungsstelle im Bistum Essen, Beschluß vom
15.01.1993 - 637241 - 5/92
Vorlage des Stellenplanes
Die Unterrichtung der MAV über einen - neugefaßten
oder geänderten Stellenplan - gehört bereits zur allgemeinen
Informationspflicht des Dienstgebers nach § 27 Abs. 1 MAVO.
Es besteht ausschließlich ein Informationsanspruch
der MAV. Weitere Rechte kann weder die MAV noch ein einzelner Mitarbeiter
aus den überlassenen Stellenplänen ableiten. Vor allem erwirbt
ein einzelner Mitarbeiter mit der Information der MAV über den
Stellenplan keinen einzelvertraglichen Anspruch auf eine günstigere
Eingruppierung oder gar Beförderung.
Schlichtungsstelle im Erzbistum Köln, Beschluß vom 07.01.1993-MAVO
9/92
5. Mitbestimmung
Ordnungsgemäße Unterrichtung im Zustimmungsverfahren
gemäß § 33 MAVO
nichtamtliche Leitsätze:
1. Eine ordnungsgemäße Unterrichtung im Zustimmungsverfahren
gem. § 33 MAVO setzt voraus, daß der Mitarbeitervertretung
alle für eine Beurteilung der beabsichtigten Maßnahme wesentlichen
Umstände mitgeteilt werden.
2. Im Fall einer Höhergruppierung gehört zu
einer ordnungsgemäßen Unterrichtung der Mitarbeitervertretung
auch die Angabe der vorgesehenen Tätigkeitsziffer.
3.Die Frist nach § 33 Abs. 2 S.2 MAVO beginnt nur,
wenn die Mitarbeitervertretung ordnungsgemäß unterrichtet
wurde.
Schlichtungsstelle MAVO im Bistum Limburg, Beschluß
vom 13.11.1995 9/95
Zum Sachverhalt:
Die Mitarbeitervertretung (Antragstellerin) ist bei
dem mitarbeitervertretungsrechtlich als selbständige Einrichtung
geführten Krankenhaus der Antragsgegnerin gebildet. Dort ist im
EDV-Bereich ein Mitarbeiter tätig, dessen Probezeit am 31.3.1995
zu Ende gegangen ist. Die Antragsgegnerin betreibt seine Höhergruppierung
in die VergGr 2 der Anlage 2 zu den AVR zum 1.4.1 995. Die Antragsgegnerin
teilte der Antragstellerin hierzu mit Schreiben vom 11.4.1995 mit, daß
der Mitarbeiter mit Wirkung vom 1.4.1995 in die Vergütungsgruppe
2 höhergruppiert werden solle, und bat um Stellungnahme. Die Antragstellerin
antwortete mit Schreiben vom 19.4.1995 dahin, daß sie nicht zustimmen
könne. Hierauf erklärte die Antragsgegnerin mit Schreiben
vom 20.4.1995, die Zustimmungsverweigerung der Antragstellern sei unbeachtlich,
da keine Gründe vorgetragen seien, und sei im übrigen verspätet.
Auf die Gegenvorstellung der Antragstellerin im Schreiben
vom 25.4.1 995 wiederholte die Antragsgegnerin im Schreiben vom 22.5.1995
an die Antragstellerin, dort eingegangen am 23.5.1995, ihren Antrag
auf Zustimmung. Sie führte aus, sie habe die Maßnahme ausreichend
begründet, da die Antragstellerin die Möglichkeit gehabt habe,
sich bei der Antragsgegnerin zu informieren. Im übrigen entspräche
die vorgesehene Vergütung der entsprechender Mitarbeiter in anderen
Krankenhäusern. Hierauf antwortete die Antragstellerin mit Schreiben
vom 30.5.1 995 an die Antragsgegnerin, dort eingegangen am 31.5.1995,
in dem sie darauf hinwies, daß die Frist nach § 33 Abs. 2
MAVO nicht laufe, da die Tätigkeitsziffer nicht mitgeteilt worden
sei und es somit an einer ausreichenden Unterrichtung fehle. Hilfsweise
verweigerte die Antragstellerin in diesem Schreiben ihre Zustimmung
gemäß § 35 Abs. 2 Nr.2 MAVO mit der Begründung,
daß die Tätigkeitsziffer nicht angegeben sei und dies den
Verdacht einer Bevorzugung begründe. In der Gehaltsabrechnung Mai
1995 wurde die Höhergruppierung vorgenommen.
Aus den Gründen:
Auf den entsprechenden Antrag der Antragstellerin ist
gem. § 41 Abs. 1 Nr.8 MAVO festzustellen, daß die Höhergruppierung
des Mitarbeiters entgegen §§ 33, 35 Abs. 1 Nr.2 MAVO ohne
die Zustimmung der Antragstellerin erfolgt ist.
Eine Zustimmung der Antragstellerin ist bisher weder
ausdrücklich erfolgt noch gilt sie gem. § 33 Abs. 2 S.2 MAVO
als durch Fristablauf erteilt.
Nach dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 11.4.1995
ist keine Verfristung eingetreten, da dieses Schreiben brachte. Dies
würde voraussetzen, daß die Antragsgegnerin zuvor selbst
nach § 33 Abs. 2 S.1 MAVO tätig geworden wäre.
Hieran fehlt es, denn die Antragsgegnerin hat in diesem
Schreiben nicht die Zustimmung der Antragstellerin zur Höhergruppierung
beantragt. Zwar ist dieses Schreiben, in dem die Antragstellerin "um
Stellungnahme" gebeten wird, wie jede rechtsgeschäftliche Erklärung
auslegungsfähig und könnte daher auch als Antrag nach §
33 Abs. 2 S.1 MAVO verstanden werden, denn der Wortlaut ist nicht allein
maßgeblich. Abzustellen ist vielmehr darauf, wie der Empfänger
diese Erklärung verstehen mußte. Insoweit gibt das Schreiben
jedoch selbst für einen mit den Verhältnissen Vertrauten keine
Hinweise auf ein formelles Beteiligungsverfahren nach § 33 Abs.
2 MAVO. Weder ist die Vorschrift genannt, ihr Wortlaut - "beantragt
ihre Zustimmung" benutzt, noch sind in diesem Schreiben irgendwelche
Gründe für die Maßnahme angegeben, einem wesentlichen
Teil eines Antrags auf Zustimmung. Das Schreiben stellt sich damit als
nichts anderes als die Ankündigung einer Maßnahme dar, zu
der man die Ansicht der Gegenseite erkunden möchte.
Auch nach dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 22.5.1995,
der Antragstellerin am 23.5.1995 zugegangen, ist keine Verfristung eingetreten.
Zwar enthält dieses Schreiben nun ausdrücklich den Antrag
auf Zustimmung, und das widersprechende Schreiben der Antragstellerin
ist erst am 31.5.1995 und damit nach Ablauf der Wochenfrist des §
33 Abs. 2 S.2 MAVO bei der Antragsgegnerin eingegangen. Gleichwohl war
dieser Widerspruch nicht verspätet, da auch nach diesem Schreiben
die Frist des § 33 Abs. 2 S.2 MAVO nicht lief. Der Beginn dieser
Frist setzt eine umfassende Unterrichtung der Mitarbeitervertretung
voraus (Bleistein/Thiel, MAVO, § 33 Rdnr. 15 und 18). Ihr sind
alle für eine Beurteilung der beabsichtigten Maßnahme wesentlichen
Umstände mitzuteilen (Frey/Schmitz-Elsen/Coutelle, MAVO, §
33 Rdnr. 3). Es genügt daher nicht, wenn die Antragsgegnerin die
Antragstellerin wegen der Gründe der Maßnahme in diesem Schreiben
darauf verweist, sie habe nachfragen können, zumal dies die ohnehin
knappe Wochenfrist des § 33 Abs. 2 S.2 MAVO weiter verkürzen
würde. Es genügt aber auch nicht, über Dinge zu unterrichten,
die keine Bedeutung für die Bestimmung der Vergütungsgruppe
haben, wie der Hinweis auf die Verhältnisse in anderen Krankenhäusern.
Dieses Merkmal ist in der VergGr 2 nicht vorgesehen.
Erforderlich für eine ordnungsgemäße
Unterrichtung ist vielmehr, die Umstände anzugeben, die Voraussetzung
für eine Zuordnung zu den verschiedenen Tätigkeitsmerkmalen
der VergGr 2 sind. Ob dies die von der Antragsgegnerin mitgeteilten
Eigenschaften des Mitarbeiters sind (selbständige Bewältigung
der anfallenden Arbeiten, schnelle Einarbeitung, gute Eigenmotivation)
kann solange nicht beurteilt werden, als nicht auch die Tätigkeitsziffer
angegeben ist, die sie ausfüllen sollen. Dies gilt um so mehr,
als mehrere Tätigkeitsziffern in Betracht kommen wie hier die Nr.1
2,13 und 18 und insbesondere bei Nr.18 eine Fülle von Angaben erforderlich
sind, um die dort beschriebene Gleichwertigkeit feststellen zu können.
Im Falle einer Höhergruppierung gehört daher zu einer ordnungsgemäßen
Unterrichtung der Mitarbeitervertretung auch die Angabe der in Aussicht
genommenen Tätigkeitsziffer (vgl. auch Bleistein, ZMV 94, 54 ff).
Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats mittels Telefax
Die Arbeitgeberin betreibt einen Kurier- und Frachtdienst. Für die
Übernahme eines Auszubildenden in ein Arbeitsverhœltnis erbat sie mit
Schreiben vom 4. Januar 2000 die Zustimmung des Betriebsrats. Dieser
widersprach der Einstellung mit einem Telefax, das der Arbeitgeberin
am letzten Tag der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG zuging. Die Arbeitgeberin
begehrt die Feststellung, daß die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung
des Auszubildenden als erteilt gilt. Sie hat die Auffassung vertreten,
das Telefax habe die Wochenfrist nicht gewahrt. Dem sind die Vorinstanzen
gefolgt. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hatte vor dem Ersten
Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Allerdings war der Widerspruch
des Betriebsrats fristgemœß. § 99 Abs. 3 BetrVG verlangt, daß die Zustimmungsverweigerung
schriftlich erklœrt wird. Diesem Erfordernis entspricht auch ein Telefax.
Der Schriftform des § 126 BGB (eigenhœndige Originalunterschrift) bedarf
es darüber hinaus nicht. Diese Vorschrift gilt lediglich für Willenserklœrungen.
Die Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 3 BetrVG ist dagegen eine
rechtsgeschœftsœhnliche Handlung. Auf sie finden die Vorschriften über
Willenserklœrungen keine Anwendung. Gleichwohl gilt die Zustimmung als
erteilt. Der Betriebsrat hat in seinem Telefax keine nach § 99 Abs.
2 BetrVG beachtlichen Verweigerungsgründe benannt.
BAG Beschluß vom 11. Juni 2002 - 1 ABR 43/01 - Vorinstanz: Hessisches
Landesarbeitsgericht, Beschluß vom 3. Juli 2001 - 4 TaBV 151/00 -
Mitbestimmung bei Einsatz von Fremdpersonal, Voraussetzungen
einer Einstellung i.S.v. § 99 BetrVG
Amtlicher Leitsatz:
Der Einsatz von Fremdpersonal im Betrieb ist nur dann
nach § 99 BetrVG mitbestimmungspflichtig, wenn dieses Personal
in den Betrieb eingegliedert wird. Die Eingliederung setzt voraus, daß
der Arbeitgeber des Betriebs auch gegenüber dem Fremdpersonal wenigstens
einen Teil der Arbeitgeberstellung übernimmt. Sie ist dagegen zu
verneinen, wenn nur das betriebsfremde Unternehmen die für ein
Arbeitsverhältnis typischen Entscheidungen über den Arbeitseinsatz
nach Zeit und Ort zu treffen hat
(Bestätigung der bisherigen Senatsrechtsprechung).
BAG, Beschl. v. 18.10.1994, 1 ABR 9/94
Mitbestimmung des Personalrats bei Neueingruppierung
aufgrund Übertragung anderer Tätigkeit
Amtlicher Leitsatz:
Wird einem Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes
ein neuer Arbeitsbereich übertragen, der sich von dem bisherigen
erheblich unterscheidet, so muß der Arbeitgeber die Eingruppierung
überprüfen. Bei der erforderlichen Entscheidung ist der Personalrat
auch dann zu beteiligen, wenn der Arbeitgeber die bisherige Eingruppierung
beibehalten will.
BAG, Beschl. v. 21.3.1995, 1 ABR 46/94, veröffentlicht
am 2.10.1995
Aus den Gründen:
... Eine allein auf die formale erstmalige Einreihung
abstellende Betrachtung ist jedoch nach Auffassung des BAG zu eng. Eine
Neueingruppierung kann auch dann erforderlich sein, wenn dem Arbeitnehmer
eine neue Tätigkeit (erstmals) zugewiesen wird, die sich nach ihrem
Gesamtbild von der bisherigen Tätigkeit so deutlich unterscheidet,
daß sie als eine andere Tätigkeit angesehen werden muß.
Bei einer solchen Fallgestaltung hat der Erste Senat
den Arbeitgeber als verpflichtet angesehen, unter Beteiligung des Betriebsrats
nach § 99 BetrVG eine Neueingruppierung vorzunehmen. Das Mitwirkungsrecht
ist nicht davon abhängig, ob es zu einer Änderung der Vergütungsgruppe
kommt. Die für die Eingruppierung nach dem BetrVG entwickelten
Erwägungen gelten nach Ansicht des BAG entsprechend für das
Mitbestimmungsrecht des Personalrats bzw. hier das Mitwirkungsrecht
der Betriebsvertretung. Im einen wie im anderen Fall geht es um die
Mitbeurteilung bei einem Akt der Rechtsanwendung mit dem Ziel, die einheitliche
und gleichmäßige Anwendung der Lohn- und Gehaltsgruppenordnung
sowie die tarifgerechte Bewertung des Arbeitsplatzes sicherzustellen.
Erforderlich wird die Mitbeurteilung, wenn die neue Tätigkeit sich
von der bisherigen Tätigkeit so deutlich unterscheidet, daß
sie sich ihrem Gesamtbild nach als eine andere Tätigkeit darstellt.
Das Bedürfnis einer erneuten Bewertung der tarifgerechten
Eingruppierung zeigt sich zumindest dann, wenn es sich bei der dem Arbeitnehmer
zugewiesenen anderen Tätigkeit um eine Position handelt, die der
Arbeitgeber mit diesem Zuschnitt neu geschaffen hat, für die also
bisher eine vergleichbare Eingruppierung noch gar nicht vorgenommen
werden konnte. "Dieser Vorgang kann im Grunde einer "erstmaligen" Eingruppierung
gleichgesetzt werden." Dahinstehen läßt das BAG, ob eine
erneute Eingruppierung auch dann erforderlich ist, wenn dem Arbeitnehmer
eine Tätigkeit übertragen wird, die sich zwar für ihn
als andere Tätigkeit darstellt, die aber nach dem Stellenplan der
Dienststelle nicht neu ist und auch bereits Gegenstand mitbestimmter
Eingruppierung war ...
Mitbestimmung bei Eingruppierung und Umgruppierung,
Bestimmung der Fallgruppe einer Lohngruppe
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Eingruppierungen und
Umgruppierungen gemäß § 99 BetrVG erstreckt sich bei
einer nach Lohn- und Fallgruppen aufgebauten Vergütungsordnung
nicht nur auf Bestimmung der Lohngruppe, sondern auch auf die richtige
Fallgruppe dieser Lohngruppe, wenn damit unterschiedliche Rechtsfolgewirkungen
verbunden sein können. Hiervon ist auszugehen bei Fallgruppen,
aus denen ein sog. Bewährungsaufstieg vorgesehen ist.
BAG, Beschluß vom 27.07.1993, 1 ABR 11/93, veröffentlicht
am 26.10.93
Widerspruch des Betriebsrats gegen zu hohe Eingruppierung
Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte darüber zu entscheiden,
ob der Betriebsrat der Eingruppierung eines Arbeitnehmers mit der Begründung
widersprechen kann, die vom Arbeitgeber vorgesehene Tarifgruppe sei
zu hoch.
Für die Eingruppierung ist nach dem einschlägigen
Tarifvertrag die jeweils ausgeübte Tätigkeit maßgeblich.
Die Arbeitgeberin bat den Betriebsrat um Zustimmung zur Höhergruppierung
eines Angestellten. Der Betriebsrat widersprach mit der Begründung,
die vorgesehene Eingruppierung sei tarifwidrig. Das Landesarbeitsgericht
hat antragsgemäß die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung
ersetzt. Das Beteiligungsrecht habe nur den Zweck, zu niedrige Eingruppierungen
zu verhindern; einer zu hohen Eingruppierung könne sich der Betriebsrat
daher nicht widersetzen.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hob das Bundesarbeitsgericht
den Beschwerde-beschluß auf und verwies die Sache zur erneuten
Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück.
Der Betriebsrat kann die Zustimmung zu einer Eingruppierung auch mit
der Begründung verweigern, der betroffene Arbeitnehmer erfülle
lediglich die Voraussetzungen einer niedrigeren Gruppe. Das Mitbestimmungsrecht
dient der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und der Transparenz der
Eingruppierungen. Es soll dazu beitragen, daß die Beurteilung,
welcher Vergütungsgruppe ein Arbeitnehmer zuzuordnen ist, möglichst
zu einem zutreffenden Ergebnis führt und einheitlich gehandhabt
wird. Insoweit macht es keinen Unterschied, ob eine vom Arbeitgeber
vorgesehene Eingruppierung zu niedrig oder zu hoch ist.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß
es dem Arbeitgeber unbenommen ist, einem Tarifangestellten ein übertarifliches
Gehalt zu zahlen. Auch hinsichtlich übertariflicher Gehaltsbestandteile
kommt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Betracht. Die Feststellung,
in welcher Höhe sie gewährt werden, setzt Klarheit über
die zutreffende Eingruppierung des betreffenden Arbeitnehmers voraus.
Im übrigen hat sich die Arbeitgeberin vorliegend darauf berufen,
die von ihr vorgesehene Eingruppierung sei tarifgerecht.
Das Landesarbeitsgericht wird jetzt zu prüfen haben,
ob der Angestellte die Voraussetzungen der von der Arbeitgeberin für
zutreffend gehaltenen Tarifgruppe erfüllt.
BAG Beschluß vom 28. April 1998 - 1 ABR 50/97
LAG Hamm Beschluß vom 12. August 1997 - 13 TaBV 19/97
Versetzung, Entzug eines Teiltätigkeitsbereiches,
Mitbestimmung des Betriebsrates
Amtliche Leitsätze:
1. Der Entzug eines Teiltätigkeitsbereichs, der
weniger als 50 % der gesamten Tätigkeit ausmacht, ist dann eine
Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG, wenn das Gesamtbild
der Tätigkeit gerade auch durch diesen Teiltätigkeitsbereich
maßgeblich geprägt und durch den Entzug desselben eine qualitativ
erhebliche Veränderung erfährt.
2. Dies muß insbesondere dann gelten, wenn dieser
Teiltätigkeitsbereich früher der Haupttätigkeitsbereich
des Arbeitnehmers war, der ihm durch zahlreiche Entscheidungen, die
jeweils nicht die Qualität einer Versetzung erreichten, Schritt
für Schritt "schleichend" entzogen worden ist.
LAG Berlin, Urt. v. 22.8.1995, 12 Sa 54/95 und 60/95
(Revision zugelassen)
Teilzeitbeschäftigung während des Erziehungsurlaubs
als mitbestimmungspflichtige Einstellung
Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte darüber zu entscheiden,
ob der Betriebsrat mitzubestimmen hat, wenn Arbeitnehmer während
des Erziehungsurlaubs mit Zustimmung des Arbeitgebers ihre Tätigkeit
mit verringerter Stundenzahl wieder aufnehmen. Anlaß für
den Streit war eine vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin, die zunächst
Erziehungsurlaub angetreten hatte, während dieses Urlaubs dann
aber vom Arbeitgeber für die Dauer von sechs Monaten mit 19 Wochenstunden
wieder in ihrem Tätigkeitsbereich eingesetzt wurde.
Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht für
derartige Fälle geltend gemacht; er wertet sie als Einstellung
im Sinne von § 99 BetrVG. Die Arbeitgeberin hat demgegenüber
die Auffassung vertreten, eine Einstellung liege nicht vor, da die Arbeitnehmerin
nicht neu in den Betrieb eingegliedert werde. Dem ist das Landesarbeitsgericht
gefolgt.
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hatte Erfolg.
Der Begriff der Einstellung im Sinne des § 99 BetrVG ist nicht
auf die Fälle der erstmaligen Eingliederung eines Arbeitnehmers
beschränkt.
Ein Mitbestimmungsrecht kann auch bei späterer
Änderung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommen. Das
ist anzunehmen, wenn gerade dadurch Interessen der Belegschaft in der
gleichen Weise berührt werden wie bei einer Neueinstellung. Diese
Voraussetzung liegt bei der hier zu beurteilenden Fallgestaltung vor.
Die teilweise Wiederaufnahme der Tätigkeit während des Erziehungsurlaubs
führt zu einer erheblichen Änderung der betrieblichen Situation.
Sie kann insbesondere diejenigen Belegschaftsmitglieder betreffen, die
vertretungsweise herangezogen wurden. Insoweit können neue Auswahlfragen
auftreten.
Diese mitzubeurteilen, ist Zweck des Mitbestimmungsrechts
des Betriebsrats. Die schutzwerten Interessen der in Erziehungsurlaub
befindlichen Arbeitnehmer sind im Mitbestimmungsverfahren angemessen
zu berücksichtigen.
BAG Beschluß vom 28. April 1998 - 1 ABR 63/97
-
Hess. LAG Beschluß vom 1. Juli 1997 - 4 TaBV 186/96
-
Verlegung der Arbeitszeit anläßlich eines
ganztägigen Betriebsausfluges als mitbestimmungspflichtige Maßnahme
i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG
Leitsätze:
1. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet,
Betriebsausflüge oder andere Betriebsfeiern während der Arbeitszeit
zu gestatten. Der Arbeitnehmer ist auch nicht aufgrund seines Arbeitsvertrages
verpflichtet, an derartigen Veranstaltungen teilzunehmen. Arbeitnehmer,
die daran nicht teilnehmen, müssen ihre übliche Arbeitsleistung
oder eine zumutbare Arbeitsleistung im Betrieb erbringen.
2. Gestattet der Arbeitgeber die Abhaltung eines ganztägigen
Betriebsausfluges, so liegt darin konkludent die Erklärung, daß
der teilnehmende Arbeitnehmer durch die Teilnahme seine Sollarbeitszeit
an diesem Tag erfüllt.
3. Die Verkürzung der Arbeitszeit an Betriebsausflugstagen
für die Teilnahme am Betriebs-ausflug und die Verlegung der übrigen
Arbeitszeit auf Zeiten vor und nach dem Betriebsausflugstag unterliegt
der Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.
LAG München Beschl v. 20.03.1997, 4TaBV 12/96
Mitbestimmungsrecht der MAV bei der Anwendung
technischer Einrichtungen
hier: Video-Aufzeichnungsanlage
MAVO, Erzdiözese Köln, §§ 36 Nr.
7, 41 Abs. 1 Nr. 8
Leitsätze:
1. Die Verwendung einer Video-Aufzeichnungsanlage im
Bereich einer krankengymnastischen Abteilung zur Erfassung einer neuen
Behandlungsmethode, die von Mitarbeitern ausgeführt wird, bedarf
der vorherigen Zustimmung der MAV.
Es kommt nicht darauf an, ob der Dienstgeber die Absicht
hatte, damit Verhalten oder Leistung der Mitarbeiter zu überwachen.
Entscheidend ist, ob die Anlage objektiv zur Überwachung des Verhaltens
und der Leistung von Mitarbeitern geeignet ist.
2. Video-Aufzeichnungen, die unter Verletzung der Mitbestimmungsrechte
der MAV entstanden sind, sind zu vernichten.
Aus den Gründen:
1) Die Anträge sind nach § 41 Abs. 1 Nr. 8
MAVO Erzdiözese Köln zulässig. Die Antragstellerin behauptet
unter Vortrag konkreter Tatsachen, daß der Antragsgegner technische
Einrichtungen installiert habe, die dazu bestimmt seien, das Verhalten
oder die Leistung von Mitarbeitern zu überwachen. Daß sowohl
die Video-Aufzeichnungsanlage als auch Tonbandgeräte solche nach
§ 36 Nr.7 zu bewertende technische Einrichtungen sind, bestreitet
auch der Antragsteller nicht. Der Streit der Parteien geht nur darum,
ob sie zur Überwachung der Mitarbeiter "bestimmt" sind.
Die Darlegungen der Antragstellerin sind in sich schlüssig.
Daher erfüllen sie - ihre Schlüssigkeit unterstellt - auch
die Voraussetzungen für die Annahme eines Verstoßes des Antragsgegners
gegen § 36 Nr. 7 MAVO Erzdiözese Köln. Aus dieser Schlüssigkeitsprüfung
folgt die Zulässigkeit der Anträge.
2. Der Feststellungsantrag zu 1) ist jedoch nur teilweise
begründet.
a) Der Feststellungsantrag ist nach § 256 ZPO zulässig.
Eine Entscheidung über die begehrten Feststellungen beseitigt die
Unklarheiten zwischen den Beteiligten über den Umfang eines bestehenden
Mitbestimmungsrechtes der Antragstellerin. Insoweit besteht also ein
Feststellungsinteresse der Antragstellerin (BAG, Beschluß 1 ABR
53/86 vom 13.10. 1987 in AP Nr.7 zu § 81 ArbGG 1979).
b) Der Antragsgegner verletzt das Mitbestimmungsrecht
(Zustimmungsrecht) der Antragstellerin, wenn er eine Video-Aufzeichnungsanlage
ohne Beachtung des Verfahrens nach § 33 MAVO installiert. Der Einwand
des Antragsgegners, diese Anlage sei überhaupt nicht zur Überwachung
von Verhalten und Leistung der Mitarbeiter "bestimmt", weil sie nur
zum Zwecke der Reflexion und Dokumentation therapeutischer Maßnahmen
in der krankengymnastischen Abteilung diene, ist unbeachtlich. Ob der
Antragsgegner bei der Einführung dieser Anlage die Absicht hatte,
damit das Verhalten und die Leistung der Mitarbeiter zu überwachen
oder diese Zwecke - wie er behauptet - gar nicht verfolge, ist für
das Bestehen des Mitbestimmungsrechts der Antragstellerin ohne Bedeutung.
Entscheidend ist, ob die Anlage objektiv zur Überwachung
des Verhaltens und der Leistung von Mitarbeitern geeignet ist. Daß
es nur auf die objektive Eignung einer technischen Anlage für das
Bestehen des Mitbestimmungsrechtes der MAV ankommt, läßt
sich aus der Wortgleichheit dieser Bestimmung sowohl mit § 87 Abs.
1 Ziffer 6 BetrVG 1972 als auch mit § 75 Abs. 3 Ziffer 17
BPersVG folgern.
Die zu diesen gesetzlichen Regelungen von den staatlichen
Gerichten ergangene Rechtsprechung kann daher auch zur Auslegung des
§ 36 Nr. 7 MAVO herangezogen werden. Es entspricht aber der ständigen
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 87 Abs. 1 Ziffer
6 BetrVG als auch der ständigen Rechtsprechung des BVerwG zu §
75 Abs. 3 Ziffer 17 BPersVG, daß es für die Ausübung
des Mitbestimmungsrechtes nicht darauf ankommt, ob der Arbeitgeber die
Absicht hat, Verhaltens- oder Leistungskontrollen auszuüben, sondern
entscheidend dafür die objektive Eignung einer solchen Einrichtung
zu solchen Kontrollen ist (BAG, zuletzt Beschluß 1 ABR 2/82 vom
23.4.1 985 in AP Nr.1 2 zu § 87 BetrVG 1 972 (Überwachung)
- = EzA § 87 BetrVG 1972 (Kontrolleinrichtung) Nr.13 = DB 1985,
1898; BVerwG, zuletzt Beschluß 6 P 35.85 vom 31.8.85 vom 31.8.1988
in AP Nr. 25 zu § 75 BPersVG = ZBR 1989,14 = PerV 1989, 216 = NJW
1989, 848).
Es besteht kein Anlaß, von dieser auch in der
Literatur gebilligten Auffassung zur Auslegung des Wortes "bestimmt"
für die wortgleiche Fassung des § 36 Nr. 7 MAVO Erzdiözese
Köln abzuweichen.
Sie findet ihre Begründung darin, daß - wenn
man das Wort "bestimmt" in § 36 Nr. 7 MAVO im Sinne der Antragsgegner
auslegen würde - das Mitbestimmungsrecht der Antragstellerin allein
von regelmäßig nicht feststellbaren subjektiven Vorstellungen
und den Absichten des Antragsgegners abhängig wäre.
...
Gegen diese Auslegung des § 36 Nr. 7 MAVO lassen
sich auch aus der Tatsache, daß es sich bei der MAVO um eine auf
dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche beruhende Mitbestimmungsregelung
handelt, keine Bedenken herleiten. Der kirchliche Gesetzgeber hat ausdrücklich
der Mitarbeitervertretung in dieser Frage ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt,
das demnach auch nach seiner Meinung in kirchlichen Einrichtungen zu
billigen ist. Daher ist der Feststellungsantrag insoweit begründet,
als er die Einführung und Anwendung der Video-Aufzeichnungsanlage
in der krankengymnastischen Abteilung des Antragsgegners zum Gegenstand
hat.
...
3. Der Antrag auf Beseitigung bzw. Vernichtung der bereits
erfolgten Video-Aufzeichnungen stützt sich auf die Verletzung des
Mitbestimmungsrechtes der Antragstellerin.
Voraussetzung für die Aufnahme und Verwendung dieser
Aufnahmen von Mitarbeitern zu jedem Zweck nicht nur zur Verhaltens-
und Leistungsüberprüfung - ist eine ordnungsgemäße
Wahrung des Mitbestimmungsrechtes der Antragstellerin. Nur bei Erfüllung
dieser Voraussetzungen sind die gemachten Aufzeichnungen - unabhängig
von einer Zustimmung der Mitarbeiter rechtmäßig. Sie sind
bisher rechtswidrig erfolgt.
Diese Verletzung des Mitbestimmungsrechtes schmälert
die Antragstellerin objektiv in ihren Rechten nach der MAVO. Es ist
ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, der in den § 862 Abs. 1 Satz 2
und § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB für Besitz- und Eigentumsstörungen
enthalten ist, daß eine in diesen absoluten Rechten verletzte
Person die Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangen kann.
Dieser in den beiden genannten gesetzlichen Bestimmungen enthaltene
Grundgedanke wird, wie die Rechtsprechung zeigt, längst generell
auf eine Verletzung anderer absoluter Rechte und auch bloßer Rechtsgüter
angewandt (siehe dazu die Übersicht bei Palandt/Bassende, BGB,
49. Auflage, § 1004 Anm. 1 b). Es ist kein Grund ersichtlich, diesen
Schutz auch der Mitarbeitervertretung hinsichtlich der ihr eingeräumten
Mitbestimmungsrechte vorzuenthalten (wie hier LAG Hamm, Beschl. 12 Ta
BV 61/80 vom 17.12.1980 in DB 1980, 1336; LAG Berlin, Beschl. 8 Ta BV
4/86 vom 12.8.1986 in LAGE § 87 BetrVG 1972 (Kontrolleinrichtung)
Nr.8 - Wiese in GK-BetrVG 1972 § 87 Rz 408; Fitting-Auffahrt-Kaiser-Heither,
16. Auflage, § 87 Rz. 81).
Der Antragsgegner hat daher die bereits unter Verletzung
des Mitbestimmungsrechtes aufgenommenen Video-Aufzeichnungen zu beseitigen.
Schlichtungsstelle für Angelegenheiten der Mitarbeitervertretung
im Erzbistum Köln, Beschluß vom 16.5.1991 -MAVO 3/91.
Mitbestimmung bei Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten
Nicht amtlicher Leitsatz
1. Der Betriebsrat hat mitzubestimmen
a.bei der Festlegung der Mindestzahl arbeitsfreier Samstage für
Teilzeitbeschäftigte,
b. bei der Festlegung einer Höchstzahl von Tagen in der Woche,
an denen teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer beschäftigt werden
dürfen und
c. bei der Aufteilung der vertraglich vereinbarten täglichen Arbeitszeit
von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern
Gründe
A. Arbeitgeber (Antragsteller) und Betriebsrat (Antragsgegner) streiten
über den Umfang von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats bei
der Regelung von Arbeitsbedingungen für teilzeitbeschäftigte
Arbeitnehmer.
Der Arbeitgeber ist ein Unternehmen des Einzelhandels. Er betreibt
u. a. in Saarbrücken ein Kaufhaus. Eine Reihe der hier beschäftigten
Arbeitnehmer sind Teilzeitarbeitskräfte. Der Betriebsrat legte
dem Arbeitgeber im Jahre 1984 den Entwurf einer Betriebsvereinbarung
über "Arbeitsbedingungen der Teilzeitarbeitnehmer" vor.
Der Arbeitgeber vertrat die Auffassung, der Betriebsrat habe in diesen
Angelegenheiten nicht mitzubestimmen. Daraufhin leitete der Betriebsrat
ein Beschlußverfahren gegen den Arbeitgeber mit dem Ziel der Errichtung
einer Einigungsstelle ein. Dieses Verfahren (Az.: 5 BV 21/84 Arbeitsgericht
Saarbrücken) ist im Hinblick auf das vorliegende Verfahren ausgesetzt
worden. Der Arbeitgeber, der nach wie vor das Mitbestimmungsrecht des
Betriebsrats zur Regelung der Arbeitsbedingungen teilzeitbeschäftigter
Arbeitnehmer leugnet, hat am 31. Januar 1985 das vorliegende Verfahren
eingeleitet. Er ist der Auffassung, die im Entwurf des Betriebsrats
enthaltenen Regelungen unterlägen nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats.
Er hat beantragt festzustellen, daß ein Mitbestimmungsrecht des
Betriebsrats nicht besteht für:
1. Festlegung der Mindestdauer der täglichen Arbeitszeit von teilzeitbeschäftigten
Arbeitnehmern,
2. Festlegung der Mindestdauer der wöchentlichen Arbeitszeit für
teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer,
3. Festlegung einer Höchstzahl von Tagen in der Woche, an denen
teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer beschäftigt werden dürfen,
4. Festlegung der Mindestanzahl arbeitsfreier Samstage,
5. Änderungen der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit von
teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern auf deren Wunsch,
6. Festlegung des Höchstanteils teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer
an der Gesamtzahl der beschäftigten Mitarbeiter,
7. Änderung der arbeitsvertraglichen Vereinbarung über die
Dauer der Arbeitszeit im Einzelfall,
8. Aufteilung der vertraglich vereinbarten täglichen Arbeitszeit
von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern,
9. Festlegung von Form und Inhalt von Arbeitsverträgen von teilzeitbeschäftigten
Arbeitnehmern,
10. Verpflichtung des Arbeitgebers außerhalb einer Stellenausschreibung
zur Mitteilung freier Arbeitsplätze gegenüber einzelnen Arbeitnehmern,
11. Festlegung von Inhalt und Umfang von Rechtsansprüchen teilzeitbeschäftigter
Arbeitnehmer auf tarifliche Leistungen.
Der Betriebsrat hat beantragt, diesen Antrag als unzulässig abzuweisen.
Die Beurteilung eines Entwurfs sei nicht zulässig, vom Gericht
werde nur ein Rechtsgutachten verlangt. Vorsorglich hat der Betriebsrat
Mitbestimmungsrechte für die zu regelnden Angelegenheiten beansprucht.....
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet.....
1. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitzubestimmen
über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich
der Pausen sowie über die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen
Wochentage. Dieses Mitbestimmungsrecht besteht bei der Regelung der
Arbeitszeit teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer in demselben Umfang
wie bei der von Vollzeitbeschäftigten. Dies hat der Senat am 13.
Oktober 1987 und am 28. September 1988 entschieden. Im Beschluß
vom 13. Oktober 1987 hat der Senat näher ausgeführt, daß
der Betriebsrat auch bei der Festlegung der Mindest- und Höchstdauer
der täglichen Arbeitszeit teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer
mitzubestimmen hat. Daran wird festgehalten, denn mit Beginn und Ende
der täglichen Arbeitszeit wird zugleich deren Dauer festgelegt,
beides läßt sich nicht trennen. Dem Mitbestimmungsrecht des
Betriebsrats ist nur die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit entzogen.
Dagegen betrifft die Festlegung der Dauer der täglichen Arbeitszeit
nur die Frage, wie die einzelvertraglich vereinbarte oder tarifliche
wöchentliche Arbeitszeit an den einzelnen Wochentagen genutzt werden
soll. Die tariflichen Regelungen oder individualrechtlichen Vereinbarungen
über die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit hat der Betriebsrat
bei der Ausübung seines Mitbestimmungsrechts als Vorgaben zu beachten.
Innerhalb dieser Vorgaben bleiben aber zahlreiche Möglichkeiten
für Regelungen, wie die wöchentliche Arbeitszeit an den einzelnen
Arbeitstagen genutzt werden soll.
2. Die Mitbestimmungsrechte, die der Betriebsrat geltend gemacht hat,
und die der Arbeitgeber leugnet, betreffen - soweit über sie in
der Rechtsbeschwerdeinstanz zu entscheiden ist - die Lage der zuvor
- mitbestimmungsfrei - vereinbarten Arbeitszeit. Insoweit besteht ein
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit
von Teilzeitbeschäftigten dann, wenn die Angelegenheit einen kollektiven
Bezug hat. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn es um die Regelung
der Lage der Arbeitszeit aller im Betriebbeschäftigten Teilzeitkräfte
geht. Darauf, ob der Arbeitgeber eine solche generelle Regelung wünscht
oder selbst trifft, kommt es nicht an. Der Betriebsrat kann aufgrund
seines Initiativrechts eine solche generelle Regelung verlangen.
a) Danach besteht zunächst ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
für die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die einzelnen
Wochentage. Der Betriebsrat hat mitzubestimmen bei der Frage, an welchen
Wochentagen Arbeitnehmer - auch teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer
- im Betrieb beschäftigt werden dürfen. Insoweit besteht kein
Unterschied zwischen vollzeitbeschäftigten und teilzeitbeschäftigten
Arbeitnehmern. In beiden Fällen müssen mindestens so viele
Wochentage als Arbeitstage bestimmt werden, daß die geschuldete
wöchentliche Arbeitszeit auch geleistet werden kann. Der Betriebsrat
hat daher mitzubestimmen bei der Festlegung der Höchstzahl von
Tagen in der Woche, an denen teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer
beschäftigt werden sollen, und bei der Festlegung der Mindestzahl
arbeitsfreier Samstage. Ob eine Regelung über die Höchstzahl
von Tagen, an denen Teilzeitarbeitnehmer in einer Woche beschäftigt
werden dürfen, letztlich ein ausnahmsloses Verbot der Beschäftigung
an weiteren Wochentagen beinhaltet oder Ausnahmen unter bestimmten,
im voraus festgelegten Vorgaben oder im Einzelfall mit Zustimmung des
Betriebsrats vorsieht, ist für die Frage nach dem Bestehen eines
Mitbestimmungsrechts über eine Höchstzahl von Arbeitstagen
in der Woche, an denen Teilzeitarbeitskräfte beschäftigt werden
dürfen, ohne Bedeutung.
b) Der Betriebsrat hat weiter mitzubestimmen bei der Aufteilung der
vertraglich vereinbarten täglichen Arbeitszeit von teilzeitbeschäftigten
Arbeitnehmern. Der Arbeitgeber kann nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG
weder Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit noch die Dauer
der Pausen einseitig regeln. Der Betriebsrat hat insoweit mitzubestimmen.
Das betrifft auch die Frage, ob die Arbeitszeit an einem Arbeitstag
zusammenhängend oder in mehreren Schichten, die durch größere
Zeiträume unterbrochen sind, geleistet werden soll.
Der Betriebsrat hat auch mitzubestimmen bei der Festlegung der Mindestdauer
der täglichen Arbeitszeit teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer.
Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, Festlegungen über die Mindest-
und Höchstdauer der täglichen Arbeitszeit wirkten sich unmittelbar
auf die Dauer der Wochenarbeitszeit aus, sie könnten aus diesem
Grunde nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegen, steht
nicht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats. Wie
der Senat im Beschluß vom 13. Oktober 1987 ausführlich begründet
hat, ist das Gegenteil richtig. Die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit
steht vor der Ausübung des Mitbestimmungsrechts fest. Nur wie diese
Arbeitszeit auf die Wochen- und Arbeitstage verteilt werden soll, unterliegt
dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Mitbestimmte Regelungen können
individuellen Interessen einzelner Arbeitnehmer widersprechen. Legen
Arbeitgeber und Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung eine Mindestdauer
der täglichen Arbeitszeit fest und regeln sie, daß am Samstag
nicht gearbeitet werden darf, so schützen solche Bestimmungen die
Arbeitnehmer vor sozialpolitisch unerwünschten Kleinstarbeitsverhältnissen
und ungewollter Samstagsarbeit. Gleichzeitig können dann aber Arbeitnehmer,
die nur zu einer kürzeren Dauer oder gerade nur am Samstag tätig
sein können, nicht beschäftigt werden. Ob und gegebenenfalls
in welchem Maße mitbestimmte Regelungen auf solche Interessenlagen
einzelner Arbeitnehmer Rücksicht nehmen können oder müssen,
war vorliegend nicht zu entscheiden.
Urteil: Az: BAG 1 ABR 77/87
Mitbestimmungsrecht bei Bedarfsarbeit
Leitsatz
Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs 1 Nr 2 BetrVG über die
Frage mitzubestimmen, ob Teilzeitkräfte zu festen Zeiten oder nach
Bedarf beschäftigt werden sollen.
Urteil: Az: BAG 1 ABR 41/87
6. Dienstvereinbarungen
Umdeutung einer nichtigen Betriebsvereinbarung
Amtliche Leitsätze:
1. Eine Betriebsvereinbarung, mit der ausschließlich
die Erhöhung der bisherigen Vergütung und Weihnachtsgratifikation
geregelt wird, ist wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG
nichtig, wenn entsprechende tarifliche Regelungen bestehen oder üblich
sind. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber nicht tarifgebunden
ist.
2. Die Erklärung des Arbeitgebers, die zu einer
nichtigen Betriebsvereinbarung geführt hat, kann ausnahmsweise
in ein entsprechendes Vertragsangebot an die Arbeitnehmer umgedeutet
werden, wenn besondere Umstände darauf schließen lassen,
daß der Arbeitgeber sich unabhängig von der betriebsverfassungsrechtlichen
Regelungsform binden wollte. Dieses Angebot können die Arbeitnehmer
annehmen, ohne daß es einer ausdrücklichen Annahmeerklärung
bedarf (§ 151 BGB).
BAG, Urt. v. 24.1.1996,1 AZR 597/95, veröffentlicht
am 8.7.1996
Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz,
Abänderung einer Betriebsvereinbarung
nichtamtliche Leitsätze:
1.Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend.
Es bedarf keiner Anerkennung, Unterwerfung oder Übernahme ihrer
Normen durch die Parteien des Arbeitsvertrages.
2. Bei der Abänderung einer Betriebsvereinbarung
haben die Betriebsparteien auch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz
zu beachten.
3. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es, einzelne
Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen von einer allgemein begünstigenden
Regelung willkürlich, das heißt ohne Vorliegen sachlicher
Gründe auszuschließen.
4. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist verletzt, wenn
der Arbeitgeber den Prämienlohn für dieselbe Arbeit an Arbeitnehmer
nur deshalb nicht zahlt, weil sie nach einem bestimmten Stichtag lediglich
befristet für ein Jahr eingestellt worden sind.
LAG Hamm, Urt. v. 27.2.1997, 17 Sa J889/96
7. Sonstiges und Interessantes
Kein Anwesenheitsrecht für Kontrollpersonen
bei Einsichtnahme des Betriebsrats in Bruttolohnlisten
Amtlicher Leitsatz:
Bei der Einsichtnahme des Betriebsausschusses bzw. einzelner
Betriebsratsmitglieder in die Bruttolohn- und Gehaltslisten dürfen
keine Personen anwesend sein, die den Betriebsrat überwachen oder
mit seiner Überwachung beauftragt sind.
BAG, Beschl. v. 16.8.1995, 7 ABR 63/94 (LAG Bremen),
veröffentlicht am 16.1.1996
Aus den Gründen:
1. Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der
Einsichtnahme des Betriebsrates in die Bruttolohn- und Gehaltslisten
vom Arbeitgeber beauftragte Personen anwesend sein dürfen. Der
aus fünf Mitgliedern bestehende Betriebsrat begehrte Einblick in
die Listen und verlangte, daß dabei kein Vertreter der Arbeitgeberin
anwesend sei. Dies wurde abgelehnt. Die Arbeitgeberin war nur zu einer
Einsichtnahme während der Anwesenheit von ihr beauftragter Personen
bereit.
2. Nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG sind dem Betriebsrat
auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen
Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen ist der Betriebsausschuß
oder ein nach § 28 BetrVG gebildeter Ausschuß berechtigt,
in die Listen über die Bruttolöhne und Gehälter Einblick
zu nehmen.
In kleineren Betrieben hat anstelle des dort fehlenden
Betriebsausschusses der die laufenden Geschäfte führende Betriebsratsvorsitzende
bzw. dessen Stellvertreter oder ein anderes beauftragtes Betriebsratsmitglied,
dem nicht die Führung der laufenden Geschäfte übertragen
sein muß, dieses Einblicksrecht in die Bruttolohn- und Gehaltslisten
der Arbeitnehmer. Ob der Arbeitgeber oder ein von ihm bestimmter Mitarbeiter
anwesend sein darf, wenn der Betriebsausschuß bzw. bei kleineren
Betrieben das entsprechende Betriebsratsmitglied in die Bruttolohn-
und Gehaltslisten Einblick nimmt, ist in Literatur und obergerichtlicher
Rechtsprechung umstritten.
3. Das BAG hält zunächst an seiner Rechtsprechung
(BAG EZA § 106 BetrVG 1972 Nr. 6) fest, die streng zwischen der
Verpflichtung des Arbeitgebers, Unterlagen ,,zur Verfügung zu stellen",
und dem Recht des Betriebsrats, in Unterlagen ,,Einblick zu nehmen",
unterscheidet. Im ersten Falle muß der Arbeitgeber die Unterlagen
zumindest in Abschrift dem Betriebsrat überlassen, damit der Betriebsrat
sie ohne Beisein des Arbeitgebers auswerten kann. Im zweiten Falle braucht
der Arbeitgeber die Unterlagen nicht aus der Hand zu geben. Aus dieser
Unterscheidung läßt sich jedoch nach Ansicht des BAG kein
uneingeschränktes Anwesenheitsrecht des Arbeitgebers bzw. vom Arbeitgeber
beauftragter Personen bei der Einsichtnahme des Betriebsrats herleiten.
Einerseits ist zwar richtig, daß die Ausübung des Einblicksrechts
den normalen Betriebsablauf nicht stören darf. Daher dürfen
Personen, die auch sonst regelmäßig in dem Raum arbeiten,
in dem die Einsichtnahme zu erfolgen hat, dort weiterarbeiten. Andererseits
aber darf diese Anwesenheit nicht zu einer Überwachung des Betriebsrats
benutzt werden. Arbeitet der Arbeitgeber selbst in dem Raum der Einsichtnahme,
so hat er sich deshalb einer Überwachung zu enthalten. Arbeiten
dort andere Arbeitnehmer, so dürfen sie vom Arbeitgeber nicht mit
der Überwachung des Betriebsrats beauftragt sein.
Betriebsratsanhörung, Zuständigkeit
des Gesamtbetriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen, hier:
Kündigung, Zuständiger Betriebsrat bei Kündigung eines
Arbeitnehmers, der im Rahmen von § 613 a BGB dem Übergang
seines Arbeitsverhältnisses widersprochen hat, Restmandat des Betriebsrats
und § 102 BetrVG
Amtliche Leitsätze:
1. Widerspricht ein Arbeitnehmer dem Übergang seines
Arbeitsverhältnisses auf einen neuen Betriebsinhaber und kündigt
daraufhin der bisherige Betriebsinhaber das Arbeitsverhältnis wegen
fehlender Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, ohne den Arbeitnehmer
zuvor einem anderen Betrieb seines Unternehmens zuzuordnen, so ist zu
dieser Kündigung nicht der Gesamtbetriebsrat im Unternehmen des
bisherigen Betriebsinhabers anzuhören.
2. Dies gilt selbst dann, wenn der Widerspruch des Arbeitnehmers
dazu führt, daß zu der Kündigung keiner der im Unternehmen
des bisherigen Betriebsinhabers gebildeten Einzelbetriebsräte anzuhören
ist.
3. Zu der Frage, ob in derartigen Fällen eine Betriebsratsanhörung
nach § 102 BetrVG, die regelmäßig die Zuordnung des
Arbeitnehmers zu einem bestimmten Betrieb voraussetzt, überhaupt
noch in Betracht kommt.
BAG, Urt. v. 21.3.1996, 2 AZR 559/95 (LAG München),
veröffentlicht am 2.7.1996
Keine Belegschaftszugehörigkeit und damit kein
aktives Wahlrecht von Auszubildenden in einem reinen Ausbildungsbetrieb
(Wandel der Rechtsprechung!):
Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes
sind zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte nur dann, wenn sich
ihre Berufsausbildung im Rahmen des arbeitstechnischen Zwecks eines
Produktions- oder Dienstleistungsbetriebes vollzieht und sie deshalb
in vergleichbarer Weise wie die sonstigen Arbeitnehmer in den Betrieb
eingegliedert sind. Findet die praktische Berufsausbildung dagegen in
einem reinen Ausbildungsbetrieb statt, so gehören diese Auszubildenden
nicht zur Belegschaft des Ausbildungsbetriebes und sind deshalb auch
nicht wahlberechtigt zum Betriebsrat dieses Betriebes. Die bisher gegenteilige
Rechtsprechung wird aufgegeben.
BAG, Beschluß vom 21.07.1993, veröffentlicht
am 14.02.1994
Keine Kontrolle des Gesamtbetriebsrats durch den
betrieblichen Datenschutzbeauftragten
Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte darüber zu entscheiden,
ob die Arbeitgeberin verlangen kann, daß sich der Gesamtbetriebsrat
vom Datenschutzbeauftragten des Unternehmens kontrollieren läßt.
Die Arbeitgeberin hat entsprechend ihrer Verpflichtung
aus dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) für das Unternehmen einen
Datenschutzbeauftragten bestellt. Die Betriebsräte - auch der Gesamtbetriebsrat
- benutzen Computer, mit denen sie u.a. personenbezogene Daten verarbeiten.
Die Betriebsräte weigerten sich, ihre EDV vom Datenschutzbeauftragten
überprüfen zu lassen.
Nach Auffassung der Arbeitgeberin unterliegen die Betriebsräte
in gleicher Weise wie andere Teile des Unternehmens der Überwachung
durch den betrieblichen Datenschutzbeauftragten. Sie hat eine entsprechende
Feststellung beantragt. Der Gesamtbetriebsrat hat sich hiergegen mit
der Begründung gewehrt, die Arbeitgeberin sei nicht befugt, Rechte
des Datenschutzbeauftragten geltend zu machen. Vor allem aber unterlägen
die Betriebsräte nicht dessen Kontrolle. Das ergebe sich aus ihrer
Stellung. Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberin als unzulässig
abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihm stattgegeben.
Das Bundesarbeitsgericht hat den Beschluß des
Landesarbeitsgerichts aufgehoben und dem Gesamtbetriebsrat Recht gegeben.
Er unterliegt nicht der Überwachung durch den Datenschutzbeauftragten.
Diese wäre mit der vom Betriebsverfassungsgesetz geforderten Unabhängigkeit
der Betriebsräte nicht vereinbar. Der betriebliche Datenschutzbeauftragte
nimmt nämlich, wie auch das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt
hat, keine neutrale Position zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ein,
sondern ist trotz seiner Freiheit von fachlichen Weisungen der Arbeitgeberseite
zuzuordnen. Zur Sicherstellung des Datenschutzes kann er im Unternehmen
keine eigenen Maßnahmen ergreifen, sondern im wesentlichen nur
beratend auf den Arbeitgeber einwirken.
Das Bundesdatenschutzgesetz ist nicht dahin zu verstehen,
daß es stillschweigend dem Datenschutzbeauftragten Überwachungsrechte
einräumt, welche die Unabhängigkeit des Betriebsrats beeinträchtigen
würden. Das Gesetz ist insoweit lückenhaft, als es keine Vorschriften
über das Verhältnis der beiden Organe zueinander enthält.
Dieses Verhältnis müßte in einem Gesetz über den
Arbeitnehmerdatenschutz geregelt werden, das zwar immer wieder angekündigt,
aber bisher nicht erlassen worden ist. Die von der Arbeitgeberin behauptete
Kontrollbefugnis kann auch nicht etwa daraus hergeleitet werden, daß
dem Datenschutzbeauftragten nach der Konzeption des Bundesdatenschutzgesetzes
die entscheidende Kontrollfunktion zukäme. Der Gesetzgeber hat
für viele Unternehmen einen Datenschutzbeauftragten für entbehrlich
gehalten, obwohl er sie dem Bundesdatenschutzgesetz unterworfen hat.
Ebenso wie für diese Unternehmen bewendet es für die Betriebsräte
bei der Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde nach § 38 BDSG.
BAG Beschluß vom 11. November 1997 - 1 ABR 21/97
-
LAG Berlin Beschluß vom 19. Dezember 1996 - 16
TaBV 1/96
Unzulässigkeit der Kündigung eines Ersatzmitgliedes
des Betriebsrats
Der besondere (nachwirkende) Kündigungsschutz für
ein Ersatzmitglied des Betriebsrats gem. § 15 Abs. 1 KschG greift
bereits dann ein, wenn der Betroffene zur Vertretung eines verhinderten
ordentlichen Betriebsratsmitglieds aufgefordert ist, er aber an der
Betriebsratssitzung deshalb nicht teilnimmt, weil sein Vorgesetzter
ihm diese wegen "Unabkömmlichkeit" untersagt.
LAG Brandenburg, Urteil vom 25.10.1993, 5 (3) Sa 425/93
Keine Behinderung der Betriebsratsarbeit durch
scharfe Kritik des Arbeitgebers
Leitsatz:
Äußerungen des Arbeitgebers, er wolle den
Betriebsrat gegen die Wand laufen lassen, den "Sozialtopf" auf andere
Betriebe verteilen und den Betrieb wegen der unzumutbaren Zusammenarbeit
mit dem Betriebsrat schließen, und Aufforderungen, den Betriebsrat
von der Bildfläche verschwinden zu lassen, rechtfertigen nicht
Maßnahmen nach § 23 Abs. 3 BetrVG gegen den Arbeitgeber.
LAG Köln, Beschl. v. 21.3.1995, 9 TaBV 68/94
Aus den Gründen:
Der antragstellende Betriebsrat hat von der Arbeitgeberin
nach § 23 Abs. 3 BetrVG die Unterlassung bestimmter Äußerungen
verlangt wie: "Ich sage der Belegschaft ganz klar: Dieser Betriebsrat
muß gegen die Wand laufen... Sollte dies nicht der Fall sein...
wird der Betrieb... plattgemacht... Wir haben keine Lust mehr, so weiterzumachen,
wir überlegen uns, 1994 den Sozialtopf auf die anderen Werke zu
verteilen... Der Betriebsrat kann machen, was er will, wir tun, was
wir wollen... Wenn die Belegschaft diesen Betriebsrat weiterhin unterstützt,
hat sie die Folgen zu tragen. 1994 wird es wirklich ein dickes Ende
geben... Sorgt endlich dafür, daß diese Leute von der Bildfläche
verschwinden!"
Das LAG hat - unter Inbezugnahme der erstinstanzlichen
Entscheidung - keine groben Verstöße gegen Pflichten der
Arbeitgeberin aus dem BetrVG feststellen können. Es handle sich
zwar um "kampfbetonte" Arbeitgeberäußerungen, die in ihrer
Heftigkeit keinen Zweifel daran ließen, daß der Geschäftsführer
der Arbeitgeberin sich im Hinblick auf die anstehende Neuwahl des Betriebsrats
eine andere Zusammensetzung dieses Gremiums wünschte bzw. daß
er von den amtierenden Betriebsratsmitgliedern in der überwiegend
emotional ausgetragenen Debatte mehr Kooperationsbereitschaft im Sinne
der eigenen Vorstellung gefordert habe. Grobe Pflichtverletzungen lägen
jedoch nicht vor, denn das BetrVG hindere keine streitigen und offen
ausgetragenen Auseinandersetzungen auch heftigerer Art zwischen Arbeitgeber
und Betriebsrat ...