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Sie befinden sich hier: Home - Aktuell - 19.06.2010

Heime befürchten wachsenden Personalmangel trotz guter Perspektiven

 

Die Pflegebranche schlägt Alarm: In den nächsten 10 Jahren braucht sie 300 000 zusätzliche Pflegekräfte, um den steigenden Pflegebedarf zu sichern. Doch schon jetzt hat sie Probleme, Personal zu finden.

Quelle: Tübinger Tagblatt 19.06.2010, Beitrag Dieter Keller

Berlin: Schon heute beschäftigt die Pflegebranche mehr Mitarbeiter als die Automobilindustrie. Und sie ist eine der größten Wachstumsbranchen schlechthin. Dafür spricht schon die steigende Lebenserwartung. Doch beim Zukunftsgipfel von Bundeskanzlerin Angela Merkel war sie nicht eingeladen, ist Bernd Meurer beleidigt. Daher fordert der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) einen Pflegegipfel.

Denn es droht ein Pflegenotstand: "Wir haben heute schon keine Fachkräfte mehr - und keiner kümmert sich darum", klagt Meurer, der selbst zwei Pflegeheime betreibt. Manches Bett bleibt leer, weil das Fachpersonal fehlt. Dabei sieht er in den nächsten zehn Jahren einen Bedarf von etwa 300 000 zusätzlichen Pflegekräften.

"Wir können mehr Menschen begeistern, wenn die Rahmenbedingungen stimmen", ist er sich sicher. Das beginnt mit einem besseren Image der Branche. Eine Fachkraft beginne etwa in München mit einem Gehalt von 2700 EUR im Monat. Der gerade ausgehandelte Mindestlohn von 8,50 EUR pro Stunde im Westen und 7,50 EUR im Osten gilt nur für junge Hilfskräfte ohne Ausbildung. "Wir wollen keine Billiglöhne", betont Meurer.

Er bemängelt auch, dass während der Altenpflegeausbildung immer noch Schulgeld verlangt wird. Als wichtigen Weg sieht er die Umschulung von Arbeitslosen. Doch gerade soll die Förderung des dritten Umschulungsjahrs abgeschafft werden. Aber: "Ohne Greencard ist der Bedarf nicht zu decken." Pflegekräfte müssen also auch im Ausland angeworben werden und eine Arbeitserlaubnis erhalten.

Heute schon beschäftigen die ambulanten und stationären Pflegeanbieter 885 000 Mitarbeiter, überwiegend Frauen, und das auch in sonst strukturschwachen Gegenden. Sie setzen 32 Mrd. EUR im Jahr um. Die privaten Anbieter rechnen damit, dass ihr Marktanteil in den nächsten Jahren steigt. Derzeit dürfte er bei 42 Prozent liegen. 2007 waren es erst 39 Prozent. Damals entfielen 55 Prozent auf freigemeinnützige Träger wie Caritas, Diakonie und Paritätischer Wohlfahrtsverband. 7 Prozent der Heime hatten staatliche Träger. Sie alle kämpfen neben dem Fachkräftemangel hauptsächlich mit der Ungewissheit, ob genug Geld zur Verfügung steht, etwa von der gesetzlichen Pflegeversicherung. Diese war allerdings nie als "Vollkaskoversicherung" gedacht, die alle Kosten deckt.

Ansonsten sind die Zukunftsaussichten gut, zeigt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft für den BPA auf: Bis 2030 dürfte die Zahl der Bürger über 60 Jahren um fast 8 Millionen zunehmen. Die Zahl der Pflegebedürftigen könnte sich bis 2050 auf über 4 Millionen verdoppeln, der Bedarf an Plätzen in Pflegeheimen sogar auf bis zu 2 Millionen verdreifachen.

Im Gleichschritt steigt die Nachfrage nach Pflegekräften: Bleibt die Teilzeitquote unverändert, werden in 40 Jahren 2,1 Mio. Mitarbeiter gebraucht. Gibt es einen nennenswerten Produktivitätsfortschritt, reichen möglicherweise auch 1,6 Millionen. Das wären immer noch fast doppelt so viele wie heute, und das bei einer schrumpfenden Bevölkerung. Zudem sind die Erfolge ungewiss, schon weil der Ersatz von Pflegekräften durch Pflegeroboter nicht akzeptiert werden dürfte.